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Wirtschaft: Staatsanwälte durchsuchen Daimler

Ermittlungen im Zusammenhang mit Schrempps Abschied: Verdacht auf illegale Aktiengeschäfte

Stuttgart/Frankfurt am Main - Wegen möglicher unerlaubter Transaktionen mit Aktien des Autoherstellers Daimler-Chrysler ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Eine Behördensprecherin bestätigte am Donnerstag, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen möglichen Insiderhandels eingeleitet habe. „Wir gehen Hinweisen nach, die wir von der Börsenaufsichtsbehörde BaFin bekommen haben“, sagte sie. Die Staatsanwaltschaft machte keine Angaben, gegen wen sich die Ermittlungen richteten. Auch der Autokonzern selbst gab keine Stellungnahme ab und verwies auf die laufenden Ermittlungen.

Die Staatsanwaltschaft durchsuchte am Donnerstag Konzernbüros und Wohnungen von drei Personen. Nach Informationen des Handelsblatts aus Unternehmenskreisen handelt es sich dabei um Daimler-Vorstand Rüdiger Grube und Kommunikationschef Hartmut Schick. Ein weiterer Beschuldigter ist Jürgen Grässlin vom Verband der kritischen Daimler-Aktionäre. Schick und Grube hatten eidesstattlich versichert, die Vorwürfe seien haltlos. Auch Grässlin weist die Anschuldigungen zurück. Grässlin hatte die Untersuchungen selbst mit ins Rollen gebracht. Er behauptete, er habe zwölf Tage vor der offiziellen Ankündigung aus dem Konzern von Schrempps Rückzug erfahren.

Die BaFin prüft derzeit, ob im Zuge der überraschenden Rücktrittsankündigung von Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp Ende Juli Insider unerlaubte Aktientransaktionen getätigt haben, um sich Kursgewinne zu sichern. Die Rücktrittsankündigung hatte binnen weniger Minuten den Aktienkurs um gute zehn Prozent in die Höhe getrieben. An den Finanzmärkten war die Nachricht bereits vor der offiziellen Bekanntgabe kursiert.

Im Jahr 2004 hat die BaFin insgesamt fast 90 Fälle mit Verdacht auf Insidergeschäfte untersucht, fünf Mal sprachen Gerichte Verurteilungen aus, 29 Mal wurden die Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Schlimmstenfalls drohen Insidern fünf Jahre Gefängnis.

Knapp 20 Experten überwachen täglich in ihren Räumen im Frankfurter Mertonviertel die Aktiengeschäfte und prüfen sie auf mögliche Unregelmäßigkeiten. Zwar tappen seit den Skandalen am Neuen Markt immer mehr Insider in die Falle. Trotzdem fehlen Beobachtern wie Rolf Drees von Union Investment noch spektakuläre, prominente Erfolge. „Erst damit könnte man klar zeigen, dass die Arbeit der BaFin greift und zugleich abschreckt.“ Die vermuteten Insidergeschäfte bei Daimler-Chrysler könnten dieses Ergebnis liefern. „Aber bis wir soweit sind – sollten sich die Vorwürfe erhärten –, werden noch Wochen und Monate vergehen“, sagt BaFin-Sprecherin Sabine Reimer.

Insidertatsache ist jede nicht öffentlich bekannte Tatsache, die im Falle der Veröffentlichung den Aktienkurs erheblich beeinflussen kann – etwa die drohende Insolvenz, Übernahmeabsichten, ein lukrativer Großauftrag, besonders gute oder schlechte Geschäftszahlen oder der überraschende Wechsel im Vorstand wie im Fall Daimler-Chrysler.

Verdichten sich bei den BaFin-Untersuchungen die Anzeichen für verbotene Insider-Geschäfte, beginnt die eigentliche Arbeit: „Wir leiten ein förmliches Ermittlungsverfahren ein. Dabei müssen alle Banken, Sparkassen und Ableger ausländischer Institute, die am fraglichen Tag Daimler-Aktien ge- oder verkauft haben, der BaFin offen legen, welche Unternehmen, Fonds oder auch Privatpersonen hinter diesen Geschäften stehen“, erklärt Sprecherin Reimer. Danach beginnt die Suche, ob in diesem Kreis Personen sind, die selbst wichtige Informationen vorab kannten, also etwa Vorstands- oder auch Aufsichtsratsmitglieder. Es können aber auch Unternehmensberater sein oder die Sekretärin, die die Information mitbekommen hat. Möglich ist auch, dass der mutmaßliche Insider Verbindungen zu Top-Managern oder Personen aus dessen Umkreis hatte, die Tipps gegeben haben.

In der Regel dauert die Analyse der Finanzaufsicht Wochen oder gar Monate. Bestätigt sich der Verdacht, wird – wie jetzt bei Daimler-Chrysler – das Verfahren an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Zu welchem Ergebnis deren Ermittlungen kommen, ist noch offen. Beobachter wundern sich aber generell, dass die Gerichte zwar immer häufiger Urteile aussprechen oder Verfahren nur gegen die Zahlung von Geldbußen eingestellt werden – aber mitunter vergessen wird, den bei dem illegalen Geschäft erzielten Gewinn zu kassieren. mit HB

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