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Staatshilfen für Opel: Merkel contra Brüderle - wie geht es jetzt weiter?

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle hat Staatshilfen für Opel abgelehnt, für Bundeskanzerlin Angela Merkel ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

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Eine halbe Stunde Zeit nimmt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag für Opel. Mit den Ministerpräsidenten von Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen wird die Kanzlerin über mögliche Hilfen für den Autohersteller und seine knapp 24 000 deutschen Beschäftigten diskutieren. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, ließ sie am Mittwoch erklären. Opel könne weiter auf Hilfe hoffen. Nach dem von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) verkündeten negativen Votum ist das Treffen für 14.30 Uhr geplant, um 15 Uhr beginnt die turnusmäßige Ministerpräsidentenkonferenz. Auch Brüderle soll teilnehmen. Opel will 1,1 Milliarden Euro an staatlichen Kreditbürgschaften vom Bund und den Ländern. Nun, da der Deutschlandfonds nicht einspringt, hat – wie erwartet – die Kanzlerin das letzte Wort. Mehrere Szenarien stehen zur Debatte.

Wie könnte eine öffentliche Unterstützung für Opel aussehen?

Im Gespräch ist nach Tagesspiegel-Informationen ein Modell, bei dem der Bund einen kleineren Teil der Finanzierung übernehmen müsste. Einbezogen wäre das Bundesfinanzministerium oder eine ihm zugeordnete Förderbank, etwa die staatliche KfW-Bank. Bisher sollte der Bund für Opel-Kredite in Höhe von 600 Millionen Euro bürgen. Dieser Betrag würde reduziert, stattdessen kämen auf die vier Bundesländer größere Bürgschaften als die bislang vorgesehenen rund 500 Millionen Euro zu. Nicht ausgeschlossen wird auch eine Variante, bei der der Bund ganz außen vor bleibt.

Opel-Chef Nick Reilly, der am Mittwochabend kein Verständnis für die Ablehnung Brüderles zeigte, erwartet, dass die Opel-Länder „einen signifikant höheren“ Betrag verbürgen.

Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) sagte dieser Zeitung: „Die Länder werden alles tun, um die Opel-Standorte zu erhalten.“ Auf Thüringen entfällt der kleinste Anteil der Kreditbürgschaft in Höhe von 27 Millionen Euro, die das Land bereits bewilligt hat. Hessen hingegen müsste aktuell für 321 Millionen Euro garantieren. Die hessische Landesregierung forderte Opel zu einem neuen Bürgschaftsantrag auf. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) kündigten an, ein entsprechender Antrag für den Standort Rüsselsheim werde schnell und rechtlich abgesichert geprüft. Die nordrhein-westfälische Landesregierung tritt weiter für eine Opel-Bürgschaft des Bundes ein. Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) sagte: „Jetzt setzen wir unser politisches Vertrauen auf die Bundeskanzlerin.“

Diskutiert wird auch über eine Lösung unter Einbeziehung der Europäischen Investitionsbank (EIB), die 2009 insgesamt 8,5 Milliarden Euro an Darlehen für die europäische Autoindustrie gewährte. Bürgen müsste aber nach wie vor der Bund, auch sind Auflagen bei EIB-Engagements einzuhalten. Die EIB gewährt Darlehen zur Finanzierung von Projekten, die „im europäischen Interesse“ liegen – etwa für Forschung, Entwicklung und Innovationen. Opel könnte die Mittel für die angekündigte Entwicklung neuer Modelle, zum Beispiel einem kleinen Elektroauto, verwenden. Die Finanzierung über eine europäische Förderbank hätte den Vorteil, dass sie die EU-Kommission besänftigen würde. Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass die EU-Regeln verbieten, nationale Beihilfen für Unternehmen an Garantien für Werke oder Jobs zu knüpfen.

Briten und Spanier haben bereits nationale Kreditbürgschaften in Höhe von jeweils 300 Millionen Euro gewährt. Kritiker wenden ein, die Opel-Mutter General Motors (GM) habe inzwischen bewiesen, dass der Konzern gesund sei und die Sanierung von Opel selbst finanzieren könne. Europaweit hatte GM 1,8 Milliarden Euro an staatlichen Hilfen beantragt.

Merkel contra Brüderle – was bedeutet der Fall Opel für den Wirtschaftsminister?

Für den FDP-Minister Rainer Brüderle ist das „Nein“ zu Bürgschaften aus dem Deutschlandfonds so etwas wie ein Befreiungsschlag. Lange hatten Liberale im ganzen Land befürchtet, Brüderle werde am Ende einknicken oder einem faulen Formelkompromiss mit der Kanzlerin zustimmen. Für die FDP hätte das den Verlust eines weiteren politischen Kernthemas bedeutet – nach der Steuersenkung und der Kopfpauschale. Für einen Moment sah es auch danach aus. Als das Kanzleramt vergangenen Freitag aus Termingründen die Sitzung des Lenkungsausschusses verschob, mutmaßten FDP-Kenner des Sachverhaltes, dass Merkel Zeit für eine Kompromissformel suche. Brüderle wurde daher im FDP-Präsidium in seinen Plänen „Nein“ zu sagen deutlich unterstützt. Teilnehmer der Spitzenrunde erinnern sich sogar daran, dass sich die FDP-Minister dazu verständigt hätte, „wenigstens in diesem Punkt als Sieger vom Platz zu gehen“. Intern soll Brüderle später auch einen Rücktritt nicht ausgeschlossen haben, wenn sich Merkel ohne ihn zu Bürgschaften durchringt. Dies wurde jedoch nicht bestätigt.

Wie gut geht es Opel und GM?

Opel-Chef Reilly hält es für schwer vorstellbar, dass GM für den Ausfall der Bundesbürgschaften geradesteht: „Theoretisch könnte GM helfen, aber dann müsste andernorts gespart werden.“ GM müsse sehr vorsichtig mit amerikanischen Steuergeldern umgehen. Dennoch: Die Automärkte haben sich weltweit erholt, vor allem die Amerikaner kaufen wieder Autos. Davon profitieren in erster Linie die großen heimischen US-Hersteller Chrysler, Ford und GM. Der Opel- Mutterkonzern verkaufte allein im Mai knapp 234 000 Autos der Marken Chevrolet, Buick, GMC und Cadillac – ein Plus von knapp 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Schon das erste Quartal sah für den zu 61 Prozent in Staatsbesitz befindlichen GM-Konzern sehr gut aus. Der Konzern machte einen Gewinn von 1,8 Milliarden Dollar. GM verfügte Ende März nach eigenen Angaben über 35,7 Milliarden Dollar an Barmitteln und Wertpapieren sowie Geldern auf Treuhandkontos. Der Konzern will möglichst bald wieder an die Börse.

In Europa laufen die Geschäfte nach wie vor schlecht. Hier verlor GM mit seinen Marken Opel und Vauxhall nach eigenen Angaben zwischen Januar und März 500 Millionen Dollar. Opels Marktanteil in Deutschland schrumpft. In den ersten fünf Monaten 2010 wurden gut 87 300 neue Opel beim Kraftfahrtbundesamt zugelassen – 40,5 Prozent weniger als im Abwrackjahr 2009. Der Marktanteil liegt bei 7,4 Prozent, 2009 kam die Marke noch auf neun Prozent. Dennoch baut Opel offenbar gute Autos: Der neue Insignia ist das „Auto des Jahres“, der neue Meriva erhält ebenfalls gute Kritiken. Reilly kündigte an, die Sanierungspläne würden trotz der Ablehnung des Deutschlandfonds nicht geändert. in Europa 8300 Stellen gestrichen werden, 4000 davon in Deutschland.

„Weitere Werksschließungen sind nicht geplant.“ Opel sei bis Ende 2010 ausreichend liquide. „Die Gefahr einer Insolvenz besteht nicht.“

Scharfe Kritik an GM kam von Opel-Betriebsratschef Klaus Franz. „General Motors hat mit der Kommunikation über seine Finanzkraft die Steilvorlage für die ablehnende Entscheidung von Wirtschaftsminister Brüderle geliefert.“ Der Minister, so Franz weiter, lasse die Opel-Beschäftigten im Regen stehen. „Opel und seine Belegschaft wird von Herrn Brüderle benutzt, um die Krise der FDP zu kurieren. Das ist beschämend.“

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