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Wirtschaft: Steilmann soll italienisch werden

Die Modefamilie gibt auf und sucht einen Käufer

Berlin - Eine Legende wird entzaubert. Die Steilmann-Familie, die einst von Bochum aus über einen der größten Textilkonzerne Europas geherrscht hatte, gibt auf. Das, was von dem früheren Weltunternehmen geblieben ist, wird wohl von der italienischen Gruppe Miro Radici übernommen. Deren Chef Michele Puller hat zwar bereits Stellenstreichungen angekündigt, will aber mindestens 250 der derzeit noch 405 Jobs in Bochum erhalten.

Dennoch reagierte die IG Metall erleichtert. „Wir freuen uns, dass die Insolvenz abgewendet wurde“, sagte Wencke Hesseler von der IG Metall in Bochum. Am Mittwoch hatte Geschäftsführerin Ute Steilmann Insolvenzanträge angekündigt. Doch dazu ist es nicht gekommen. Stattdessen verhandelt man mit Miro Radici. „Ein Ergebnis ist greifbar nahe“, sagte ein Sprecher des Düsseldorfer Wirtschaftsministeriums am Donnerstag. Die Italiener hatten bereits vor drei Jahren zwei Steilmann-Tochterfirmen in Gelsenkirchen und Herne übernommen.

Eine große deutsche Gründergeschichte geht damit zu Ende. Klaus Steilmann, der Patriarch, hatte den Familienbetrieb 1958 aus dem Nichts gegründet. Mit geborgten 40 000 Mark Startkapital baute der einstige C&A-Lehrling Schritt für Schritt eine Weltfirma auf. Nach dem Motto „Mode für Millionen“ entwarf und schneiderte Steilmann Massenkonfektionsware für Textilhändler wie Karstadt oder C&A, die diese dann unter ihren Eigennamen verkauften. Zu Spitzenzeiten setzte Steilmann fast 900 Millionen Euro um und beschäftigte 18 000 Mitarbeiter. In den achtziger Jahren entwarf sogar Karl Lagerfeld Mode für Steilmann.

Seine Heimatverbundenheit wurde dem skat- und fußballverrückten Steilmann zum Verhängnis. Als die Textilpreise aufgrund der Globalisierung in den Keller rutschten und Discounter wie Aldi und Lidl immer mehr Druck auf die Hersteller machten, hielt Steilmann noch immer an seinen deutschen Produktionsstätten fest. Erst Ende 2003 schloss in Cottbus die letzte deutsche Steilmann-Näherei.

Hinzu kam der Familienclinch unter den drei Steilmann-Mädchen. Während Ute und Cornelia im Hintergrund blieben, wurde Britta zum Glamour-Girl der deutschen Textilindustrie. Sie beriet den früheren Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping, wurde zur Öko-Managerin des Jahres gekürt, erhielt das Bundesverdienstkreuz und setzte sich demonstrativ für die Lakota-Indianer ein. Nur das eigene Unternehmen konnte sie nicht retten. Vor drei Jahren warf Britta die Brocken endgültig hin und eröffnete einen Design-Shop. Jetzt muss Ute einspringen.

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