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Die Lichter bleiben in vielen Teilen der Krisenregion aus. 8,2 Millionen Menschen waren ohne Strom.

© AFP

Sturmschäden: Sandy zeigt, wie marode Amerikas Infrastruktur ist

Kaputte Stromleitungen und einsturzgefährdete Dämme – Sturm Sandy zeigt: Die Infrastruktur in den USA ist komplett veraltet. Das wird nun zum Problem.

Es ist nur wenige Wochen her, da legte das World Economic Forum den Finger in die Wunde. In einem Report, der die Wettbewerbsfähigkeit von 144 Staaten weltweit untersuchte, landeten die USA im Gesamtranking nur auf Platz sieben, noch hinter der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland.

Ein Grund war die marode Infrastruktur. Seit Jahrzehnten hat das Land nicht in die Reparatur von Straßen und in die Modernisierung von Stromnetzen und Telekommunikation investiert. Schaut man sich die Qualität der Energieversorgung an, schaffen es die USA nur auf Platz 32. Immer wieder bricht das Stromnetz zusammen, kommt es zum Blackout – und das in einer führenden Industrienation. Sogar Staaten wie Slowenien und Portugal haben ein besseres Stromnetz als die USA.

Selbst in offiziellen Dokumenten attestierte jüngst das Weiße Haus, dass sich seit Ende des 19. Jahrhunderts, als der Erfinder Thomas Edison die Elektrifizierung voranbrachte, wenig im Land geändert habe. "Die USA waren einmal die Vorreiter der Moderne", sagt Eberhard Sandschneider von der Gesellschaft für Auswärtige Politik, "heute sind sie bei der Infrastruktur die Nachzügler." Das wird nun, da der Sturm Sandy die USA heimsucht, zum Problem.

Noch immer gibt es Stromunternehmen, die ohne Informationen in Echtzeit arbeiten. Im Falle eines Stromausfalls können sie noch nicht einmal genau sagen, welche Haushalte aktuell nicht am Netz sind. Ein Großteil der Leitungen ist noch oberirdisch auf Holzmasten verlegt. Das alles macht die Energieversorgung besonders anfällig für Wirbelstürme wie Sandy. Stürzt ein Baum auf ein Kabel, gehen schnell in einem ganzen Viertel die Lichter aus. Auch deshalb sind derzeit mehr als sieben Millionen Menschen ohne Strom.

Das alles ist die Folge eines seit Jahren andauernden Trends: Der Neubau von Stromleitungen und Umspannwerken hinkt dem Bedarf hinterher: Während die Stromnachfrage seit 1990 um 25 Prozent gestiegen ist, ging der Bau von Übertragungskapazitäten im gleichen Zeitraum um 30 Prozent zurück, teilte unlängst die Ingenieursvereinigung ASCE mit. Die fehlende Modernisierung rächt sich jetzt.

Doch das Stromnetz ist nur eine Dauerbaustelle. Schlaglöcher in den Straßen, kaputte Häfen und leckende Kanalisationen: Der Investitionsbedarf für die gesamte Infrastruktur ist riesig. Flughäfen sind zu klein, Verspätungen an der Tagesordnung. Das kostet Zeit – und entsprechend auch Geld. Die Häfen platzen aus allen Nähten, sie können teilweise die nächst größere Generation von Containerschiffen nicht mehr abfertigen.

Nicht viel besser die Lage bei den Brücken: Nach ASCE-Angaben gilt jede vierte der 600.000 Brücke als instabil oder funktionsunfähig. Als "alarmierend" bezeichnen die Ingenieure auch den Zustand der Staudämme: Rund 15.000 der insgesamt 85.000 Dämme bescheinigt ASCE ein hohes Gefährdungspotenzial.

Um die Infrastruktur zu modernisieren, wären gigantische Summen nötig. ASCE schätzt allein den Finanzierungsbedarf für das Stromnetz bis zum Jahr 2020 auf 107 Milliarden US-Dollar. "An Geld scheitert es allerdings nicht immer", schreiben die Fachleute. "Zu strenge Genehmigungsauflagen, Gerichtsverfahren und unklare Regulierungsvorgaben verhindern den Netzausbau." Über alle Bereiche hinweg – Wasserwege, Stromnetz, Flughäfen, Straßen, Versorgung – geht ASCE für die kommenden fünf Jahre von einem Investitionsvolumen von 2,2 Billiarden US-Dollar aus.

Im Wahlkampf haben solche Summen bislang keine Rolle gespielt. "Mit Themen wie Infrastruktur können Kandidaten keinen Blumentopf gewinnen", sagt Sandschneider. Allerdings glaubt er auch, dass Sandy dafür sorgen könnte, dass das Thema im Wahlkampf thematisiert wird. "Wenn sich Obama als guter Krisenmanager beweist, kann das zu einem Wahlsieg beitragen."

Dieses Stück ist zuerst erschienen bei Zeit-Online.

Marlies Uken

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