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Hochöfen von ThyssenKrupp in Duisburg Bruckhausen

© dpa/Arnulf Stoffel

Thyssenkrupp: Die Krupp-Stiftung hat versagt

Die Einheit des Unternehmens wahren – das hat der letzte Krupp seinen Erben als Auftrag hinterlassen. Jetzt wird Thyssenkrupp den Spekulanten überlassen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Dem Alten wäre das nicht passiert. Kurz vor dem 100. Geburtstag starb vor fünf Jahren Berthold Beitz. An seine Stelle rückte Ursula Gather an die Spitze der Krupp-Stiftung, Mathematikprofessorin und Rektorin der TU Dortmund. Ausgerechnet die Beitz- Nachfolgerin Gather hat den Ruhr-Konzern in eine Führungskrise manövriert, die der wechselvollen und an Intrigen nicht armen Unternehmensgeschichte ein weiteres Kapitel zufügt. Ende offen.

Von „Psychoterror“ sprach Ulrich Lehner vor ein paar Tagen, als er im Zusammenhang mit dem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Heinrich Hiesinger den Umgang in der Führung, insbesondere der Aufsichtsräte, beschrieb. Nun hat sich auch Lehner dem „Terror“ ergeben und vom Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden verabschiedet. Das ist konsequent, denn Lehner, als langjähriger Chef des Persil-Konzerns Henkel ein Industriemanager aus der ersten Reihe, vermochte es nicht, die Großaktionäre auf einen Kurs im Sinne Alfried Krupps und dessen Testamentsvollstreckers Berthold Beitz zu bringen. Und im Sinne Hiesingers.

Beitz und Gerhard Cromme, auch ein großer Name in der Konzerngeschichte, hatten Hiesinger 2010 von Siemens zu Thyssen-Krupp geholt. „Zur Rettung unseres Unternehmens“, wie Mitarbeiter in diesen Tagen Ursula Gather erinnerten. Tatsächlich hatte die Firmenspitze mit Aufsichtsratschef Cromme und dem damaligen Vorstandschef Ekkehard Schulz 2006 eine Entscheidung getroffen, die fast in den Abgrund führte: In Brasilien und den USA setzten die Essener bei Bau und Betrieb von zwei Stahlwerken rund zehn Milliarden Euro in den Sand. Ruhig, beharrlich, seriös und anständig hat Hiesinger den riesigen Schuldenberg abgetragen, die Anlagen in Übersee verkauft und kürzlich mit dem Zusammenschluss des Stahlbereichs von Thyssen-Krupp und der indischen Tata-Gruppe das Unternehmen als diversifizierten Industriekonzern mit Potenzial aufgestellt.

Einst wie bei Hofe

Wichtiger noch: Hiesinger begann den Kulturwandel. Denn es ging einst zu wie bei Hofe – nicht nur in der Villa Hügel, dem Sitz der Krupp-Stiftung, sondern auch in der üppigen Zentrale, die sich Cromme und Schulz für ein paar Hundert Millionen in Essen bauten – inklusive Aufzug und Koch nur für ein paar Vorstandsmitglieder. Die Allüren und Gepflogenheiten eines Fürstentums, in dem Widerspruch nicht geduldet und Debatten unerwünscht sind, trugen bei zu den irren Investitionen respektive Verlusten in Übersee und der folgenden Existenznot.

Die Einheit des Unternehmens wahren – das hat der letzte Krupp seinen Erben als Auftrag hinterlassen. Unter Beitz bedeutete das einen Konzern mit verschiedenen Sparten: Wenn die eine nicht gut läuft, dann hoffentlich die andere, sodass am Ende des Jahres immer ein Überschuss stehen sollte, den die Krupp-Stiftung zur Finanzierung ihrer vielfältigen Zwecke brauchte. Die Stiftung ist bis heute der größte Aktionär von Thyssen- Krupp und hält mehr Anteile als die Finanzinvestoren Cevian und Elliot, die Hiesinger aus dem Amt gemobbt haben.

So funktioniert Finanzkapitalismus: Investoren kaufen Anteile und wollen diese alsbald mit Gewinn verkaufen. Das klappt am besten, indem der Konzern zerschlagen und die wertvollsten Teile verscherbelt werden – konkret das Geschäft mit Aufzügen und Fahrtreppen, das rund die Hälfte des Thyssen-Krupp-Gewinns bringt. Hiesinger weigerte sich, weil er mit dem Profit der Aufzüge die übrigen Industriebereiche ausbauen wollte.

Im Streit mit Spekulanten und Investoren ist es gut, einen Ankeraktionär an der Seite zu haben. Das gilt für VW mit dem Land Niedersachsen, BMW mit der Familie Quandt oder Conti mit den Schaefflers. Bei Thyssen-Krupp war das bislang die Krupp-Stiftung. Insbesondere Ursula Gather, aber auch zehn weitere Kuratoriumsmitglieder, vor allem Wissenschaftler, die das Geld ausgeben, sowie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, haben Hiesinger nicht nur nicht unterstützt, sondern das Geschäft der Investoren betrieben. Dümmer geht es kaum.

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