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Tourismus: Billig in Berlin

Immer mehr Hotels und Hostels setzen gezielt auf niedrige Preise. Hotelrestaurants oder Wellnessräume findet man zwar nicht, doch selbst Geschäftsleute steigen inzwischen dort ab.

Berlin - Sie fliegen mit Billiglinien und sie wollen günstig wohnen. Der Boom der Low-Budget-Airlines mischt jetzt auch Berlins Hotellerie auf. Allein bis Ende 2013 sollen in der Stadt mindestens 14 weitere Budgethotels und Hostels entstehen, hinzu kommen zwei Projekte am künftigen Großflughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld. „Berlin hat viele junge Gäste und ist daher die Hauptstadt der Budgethotels“, sagt Christian Tänzler von der Tourismusgesellschaft Visit Berlin. Doch auch Geschäftsreisende schätzen das Einsparpotenzial.

Billighotels gibt es schon heute. Die „Motel One“-Kette hat im Juni am Hauptbahnhof ihr achtes Berliner Haus eröffnet, mit 505 Zimmern ist es das größte des vor elf Jahren gegründeten Low-Budget-Spezialisten. Fast alle Häuser sind in zentraler Lage, so gibt es „Motel One“ seit 2007 am Alexanderplatz und am Bahnhof Zoo. Ein Hotelrestaurant oder Wellnessräume findet man dort zwar nicht, billig wirken die Häuser aber auch nicht, da sich die Kette mit modernem Design von Mitbewerbern abheben will. Am Zoo beginnen die Preise ohne Frühstück bei 59 Euro für ein Einzelzimmer – je nach Saison können sie allerdings um bis zu 50 Euro höher liegen. Billig ist das dann nicht mehr. Solche Spitzenraten gelten zum Beispiel während der Internationalen Funkausstellung (Ifa) im September. Für diese Zeit ist das Haus in der Kantstraße schon ausgebucht.

Nur einen Steinwurf entfernt öffnet im November das nächste preisgünstige Hotel, das „aletto Hotel & Hostel“ mit 850 Betten in 232 Zimmern. Das umgebaute Oberverwaltungsgericht an der Hardenbergstraße ist zum einen für Schülergruppen und Rucksacktouristen gedacht, die in Sälen für bis zu zehn Personen für 13 Euro übernachten können. „Unsere Zielgruppe umfasst aber auch Geschäftsleute“, betont Ansgar Nyhuis, der zu den Investoren zählt und früher Mitbegründer der Budgetkette Meininger war. Ein Einzelzimmer mit Bad will er ab 59 Euro mit Frühstück anbieten. Geplant sind eine Dachterrasse, ein Hof mit Sport- und Grillplatz und im Keller ein Frühstücksraum im U-Bahn-Design. „Mit 08/15-Häusern kann man hier nicht punkten“, weiß Visit-Berlin-Sprecher Tänzler. „Berlin ist der härteste Hotelmarkt der Welt, da müssen sich Hotels etwas Besonderes einfallen lassen.“ Als Verlierer gelten die klassischen kleinen Pensionen, die sich Investitionen kaum leisten können.

Das erste deutsche „Easy-Hotel“ besteht seit März 2010 nahe dem Hackeschen Markt und bietet außer einigen orangefarbenen Möbelstücken wenig fürs Auge. Geschäftsführer Achim Marowsky betont aber, man habe „hohen Wert auf langlebige Materialien, zeitloses Design und helle Farben gelegt“. Bei Preisen zwischen 25 und 55 Euro pro Nacht müssen Gäste auf vieles verzichten oder hinzuzahlen – wie bei der Airline Easyjet, die das Vorbild ist. Buchungen sind nur per Internet möglich, und fast alles kostet extra: die Zimmerreinigung, Fernsehen und Internet oder die Gepäckaufbewahrung. Ein Speiseraum existiert nicht: „Wir haben Getränkeautomaten – das war’s“, sagt Marowsky.

Das „Easy-Hotel“ ist das Pilotprojekt des Franchisenehmers i.gen hotels GmbH, der in Berlin auch Standorte in der Nähe des Kurfürstendamms und des Checkpoints Charlie plant. Von der britischen Easy-Gruppe stammten nur der Name und das Buchungssystem, sagt Marowsky. Mit Hostels sei das Konzept nicht vergleichbar, da man keine Gruppenräume habe. „30 Prozent unserer Kunden sind Businessgäste.“ 2010 sei das Hotel im Schnitt zu 70 Prozent ausgelastet gewesen, jetzt liege man bei rund 90 Prozent – obwohl die einzige Werbung aus Online-Anzeigen bei Google besteht.

Die Grenze zwischen Hotel und Hostel sind fließend. Hostels wie „A&O“ bieten auch Hotelzimmer an. Überdies „ist ganz Berlin Budget“, meint Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Berlin. Die durchschnittlichen Zimmerpreise seien mit 87,50 Euro extrem günstig. Durch immer neue Hotelprojekte „verharrt die Belegungsquote auf niedrigem Niveau“, beklagt Lengfelder. Dehoga-Mitgliedshotels in Berlin sind im Schnitt zu knapp 68 Prozent ausgelastet. Das Statistische Landesamt, das mehr Hotels einbezieht, schätzt die Quote sogar nur auf etwa 50 Prozent. Insgesamt dürften 2011 und 2012 etwa 15 000 neue Hotelbetten entstehen, schätzt der Verband. Bisher gebe es etwa 125 000, darunter 14 000 in Hostels und Budgethotels. „Berlin ist sehr stark in diesem Bereich, keine andere Stadt hat so viele Kapazitäten“, sagt Lengfelder. Zuwächse gebe es aber in allen Bereichen. Tatsächlich geht etwa die Hilton-Gruppe verschiedene Wege: An der Uhlandstraße wurde vor einem Jahr das erste deutsche Budgethotel „Hampton by Hilton“ mit 214 Zimmern eröffnet. Zugleich aber setzt Hilton auf Luxus und will im Januar im „Zoofenster“-Hochhaus am Breitscheidplatz ein Waldorf-Astoria eröffnen.

Zum Berliner Portfolio der französischen Accor-Gruppe, dem nach eigenen Angaben größten Hotelkonzern in Deutschland, gehören acht „Ibis“-Budgethotels und drei noch billigere „Etap“-Häuser. An der Anhalter Straße in Kreuzberg liegen drei Accor-Standorte nebeneinander: Etap, Ibis und das Mittelklassehotel „Novotel Suite“. In einem geplanten Neubau am Adenauerplatz sollen 2013 ein „Etap“ und ein „Ibis“ mit zusammen 411 Zimmern öffnen. Die Stadt bleibe „besonders im Economy- und Budgetbereich“ ein interessanter Wachstumsmarkt, sagt Michael Mücke, Senior Vice President Operations für vier Accor-Marken. Dagegen sind die extrem spartanischen Automatenhotels, die Accor unter dem Namen „Formule 1“ führt, kein Renner: Das einzige Haus, in dem man zu Preisen ab 29 Euro ohne menschliches Zutun per Nummerncode einchecken kann, steht im brandenburgischen Ludwigsfelde.

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