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Bunte Belegschaft. Bei Rolls-Royce arbeiten Leute aus 50 Nationen.

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Berliner Arbeitsmarkt: Ungewöhnlich dynamisch

Die berlin-brandenburgischen Unternehmensverbände freuen sich über den robusten Arbeitsmarkt. Und warnen vor dem Entgelt-Transparenz-Gesetz.

Von der üblichen Routine einer Jahrespressekonferenz wich Christian Amsinck am Mittwoch ab. Und der sonst so besonnene Hauptgeschäftsführer der berlin-brandenburgischen Unternehmensverbände ließ beim sperrigen Thema „Entgelt-Transparenz-Gesetz“ sogar etwas Leidenschaft erkennen. Von einem „schweren Eingriff in die Tarifautonomie“ sprach Amsinck; der ganze Ansatz habe „stark planwirtschaftliche Züge“, und im Übrigen sei der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen überhaupt nicht so groß, wie immer behauptet. „Wenn man das strukturbereinigt“, so der UVB-Chef, also statistisch berücksichtige, dass Frauen mehr teilzeit arbeiten, eher in schlecht bezahlten Dienstleistungsberufen und weniger in gut dotierten Industriejobs, dann mache der geschlechterbedingte Unterschied in der Bezahlung nur noch zwei Prozent und nicht mehr 23 Prozent aus. Kurzum: Frauen verdienen eigentlich fast genausoviel wie Männer, und deshalb gibt es für Amsinck auch keinen Anlass für ein Gesetz, dass Angestellten nach dem Willen von Frauenministerin Manuela Schwesig ermöglichen soll, das Gehalt von Kollegen mit gleicher Tätigkeit zu erfahren.

Weniger als 200000 Arbeitslose

Unter dem Titel „Im Aufbruch – Neue Perspektiven für Berlin und Brandenburg“ stellte der Verbandschef den Jahresbericht der UVB vor und betonte dabei einige arbeitsmarktpolitische Aspekte. „Beim Berliner Jobmarkt könnten wir (in diesem Jahr) unter die magische Grenze von 200 000 Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt kommen, auch dank insgesamt 25 000 neuer Arbeitsplätze.“ 2014 waren im Schnitt rund 202 000 Berlinerinnen und Berliner arbeitslos gemeldet. Allein im Handel erwartet der Verband in diesem Jahr 4000 neue Stellen, im Gastgewerbe könnten es 3000 sein und bei Kommunikations-Dienstleistern knapp 2000. „Nirgends in Deutschland ist die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt größer“, freute sich Amsinck, der aber auch auf die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage hinwies. Fast jeder zweite Arbeitslose sei wegen unzureichender Bildung nur für eine Helfer-Tätigkeit geeignet, aber nur jede fünfte offene Stelle sei wiederum für Helfer geeignet. „Auf jede freie Helfer-Stelle kommen 23 arbeitslose Helfer“, rechnete Amsinck vor. Gleichzeitig erforderten fast zwei Drittel der offenen Stellen eine Ausbildung. „Die meisten Langzeitarbeitslosen werden nur dann eine Chance auf eine neue Stelle haben, wenn ihre Qualifikation besser wird.“

Niedrige Ausbildungsquote in Berlin

Unverändert problematisch ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit (doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt), die Amsinck mit den vielen Schulabbrechern und nicht ausbildungsreifen Jugendlichen erklärt. Bemerkenswert ist indes auch die niedrige Ausbildungsbereitschaft der Berliner Unternehmen. 2008 lag diese Quote, die den Anteil der Azubis an den Beschäftigten widergibt, in Berlin bei 5,4 Prozent und fiel seitdem auf nur noch 4,1 Prozent. Bundesweit liegt der Wert inzwischen bei 5,6 und in Brandenburg bei 4,3 Prozent. Die Ausbildungsschwäche der Berliner Firmen erklärte Amsinck unter anderem mit dem steigenden Aufwand für Ausbildung und dem Trend zum Studium. Gemeinsam mit dem DGB wolle er künftig stärker für die duale Ausbildung werben.

„Die Betriebe sorgen sich um ihre Zukunftsfähigkeit“, meinte Amsinck mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel. Er plädierte für weitere Zuwanderung, hält ein neues Zuwanderungsgesetz aber für nicht erforderlich, da die Bundesrepublik „über das liberalste Zuwanderungsrecht weltweit verfügt“. Auch deshalb sei in Berlin die Beschäftigung von Personen aus dem Ausland im Vergleich zu 2006 viermal so stark gestiegen wie die Beschäftigung deutscher Staatsbürger. Die meisten Betriebe arbeiteten inzwischen mit einer bunten Belegschaft, beispielhaft nannte Amsinck Rolls-Royce in Dahlewitz, wo die rund 2300 Mitarbeiter aus etwa 50 Nationen stammten.

Wachstum bis zu 1,5 Prozent

Schließlich äußerte sich der UVB-Chef verhalten optimistisch über die Konjunktur. Positiv sei der „stabile private Konsum“, schwierig bleibe es in der Exportwirtschaft wegen der Ukraine-Krise. „Die Lage bleibt labil“, meinte Amsinck und blieb mit seiner Prognose auffällig defensiv: „Ein Wachstum von einem bis anderthalb Prozent halten wir weiterhin für ein realistisches Szenario.“

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