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Wirtschaft: Union hört auf die Pharmalobby

AOK: Geschenk für Apotheker und Industrie.

Berlin - Die Union will die Kostenbremse für Arzneimittel wieder lockern. Nach einem Positionspapier der Bundestagsfraktion, das dem Tagesspiegel vorliegt, soll die eben erst gestartete Nutzenbewertung neuer Medikamente aufgeweicht und nach den Vorstellungen der Herstellerfirmen gestaltet werden. Zudem fordern die Experten aus CDU und CSU, die Krankenkassen bei Rabattverträgen stärker zu reglementieren und die Apotheken zu entlasten. 2013 soll ihr erst vor einem Jahr erhöhter Abschlag auf Arzneimittel deutlich sinken.

Die Krankenkassen reagierten empört. Der Forderungskatalog lese sich „wie eine Wünsch-dir-was-Liste der Pharmaindustrie und der Apothekenlobby“, sagte Uwe Deh, Geschäftsführender Vorstand des AOK-Bundesverbandes. Mit ihrem Papier stelle die Union den vielversprechenden Auftakt der Preisverhandlungen infrage, so die Innungskrankenkassen.

Nach den Unionsplänen soll für die Preisverhandlungen über neue Arzneimittel künftig nur noch der Preis in vier anderen EU-Hochpreisländern herangezogen werden. Im Gesetz war bisher nur von „anderen europäischen Ländern“ die Rede. Der Union ist es aber wichtig, „klarzustellen, dass die Referenzländer in ihrer Wirtschaftskraft mit Deutschland vergleichbar sein müssen“. Das Preisniveau von Rumänien oder Bulgarien sei „sicher nicht angemessen“. Zudem soll die Untersuchung des Zusatznutzens neuer Arzneimittel künftig stärker von der Kostenfrage abgekoppelt werden. Beides gebe die Forderungen der Pharmaindustrie „eins zu eins“ wider, kritisiert der AOK-Bundesverband.

Auch die Unionsforderung, ausgehandelte Rabatte geheim zu halten, gehört zum Wunschprogramm der Industrie. Schließlich orientieren sich viele EU- Staaten an den deutschen Preisen. „Eine Veröffentlichung ist grundsätzlich nicht notwendig“, heißt es in dem Unionspapier.

Die Apotheker wiederum mobilisieren gegen den aus ihrer Sicht zu hohen Abschlag, den sie den Kassen gewähren müssen. 2,05 Euro pro Arzneimittelpackung sind es derzeit. Die Kassen hätten gern 2,30 Euro. Die Union dagegen will den Rabatt wieder auf 1,75 Euro senken. Für die AOK sieht das „sehr nach einem Geschenk für die Apotheker im Wahljahr 2013 aus“. Die Beitragszahler koste dies pro Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag.

Mit dem Arzneigesetz habe die Politik „Mut bewiesen“, schwärmt AOK-Vize Deh. Erstmals könne man bei neuen Medikamenten nun „die Spreu vom Weizen trennen“. Wenn die Union jetzt aber der Pharmalobby nachgebe, werde „der Tiger zum Bettvorleger, bevor er überhaupt gesprungen ist“. Rainer Woratschka

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