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Wirtschaft: Verkaufsdruck bei Aktienfonds wächst

In der anhaltenden Börsenkrise trennen sich immer mehr private Anleger von ihren Investmentanteilen – die Reserven der Fondsgesellschaften schrumpfen

Frankfurt (Main) (tmo/HB). Fondsstar Mark Mobius, Spezialist für Schwellenländer, hat während der Russland- und Asienkrise 1998 gern eine alte Börsenweisheit zitiert: „Wir kaufen Aktien jetzt, wo das Blut durch die Straßen fließt, auch wenn ein Teil davon unser eigenes ist.“ Am deutschen Aktienmarkt zahlen die Anleger seit gut zweieinhalb Jahren einen hohen Preis. Doch dem Rat von Mobius mögen sie nicht folgen – im Gegenteil: Im Juli und August gab es unter dem Strich mehr deutsche Privatanleger, die ihre Aktienfonds-Anteile verkauften, als solche, die neue Anteile hinzukauften. Dieser Trend scheint sich im laufenden Monat noch zu verstärken.

Laut Gesetz können Fondseigner ihre Anteile jederzeit zum so genannten Netto-Inventarwert – dem aktuellen Marktwert der enthaltenen Wertpapiere – zurückgeben. Nur in Extremsituationen, zum Beispiel unmittelbar nach den Terroranschlägen in den USA, kann die Rückgabe vorübergehend ausgesetzt werden. Um die Anleger auszuzahlen, greifen Fondsmanager entweder auf ihr Kassenpolster zurück oder sie müssen schnell Aktien verkaufen, um die nötigen Mittel frei zu machen.

Im September haben viele private Fondsanleger von ihrem Verkaufsrecht Gebrauch gemacht. So meldet der Vermögensverwalter Allianz Dresdner Asset Management (ADAM) Aktienfonds-Rückgaben über rund 100 Millionen Euro netto zwischen Ende August und dem 20. September. Im gesamten August waren es rund 150 Millionen Euro. Die genossenschaftliche Union Investment, drittgrößter Publikumsfondsanbieter, verzeichnete bis zum 23. September Netto-Abflüsse von 50 Millionen Euro bei Aktienprodukten. Damit steht bei Union erstmals in diesem Jahr ein Minus in diesem Segment.

Auch Marktführer DWS erwarte für den laufenden Monat „moderate Abflüsse“, sagt Fondsmanager Udo Rosendahl, der rund fünf Milliarden Euro in europäischen Standardwerten verwaltet. Im August gaben Privatanleger nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Investment- und Vermögensverwaltungs-Gesellschaften (BVI) Aktienfonds im Wert von netto 0,9 Milliarden Euro zurück. Im Juli betrugen die Netto-Abflüsse 0,6 Milliarden Euro.

Im Vergleich zu den USA ist die Lage am deutschen Aktienmarkt allerdings noch gemütlich. In Übersee zogen Privatanleger im Juli 49 Milliarden Dollar aus Aktienfonds ab, wie der Informationsdienst Lipper meldet. Das war die größte Verkaufslawine aller Zeiten und übertraf locker die Rückflüsse nach den Terroranschlägen am 11. September und nach dem Börsencrash 1987. Im August fielen die Rückflüsse bei US-Aktienfonds allerdings auf nur noch 5,8 Milliarden Dollar. „Bislang sind keine Anzeichen dafür zu erkennen, dass deutsche Privatanleger mit panikartigen Verkäufen auf die schlechte Marktentwicklung reagieren“, sagt Fondsmanager Wilhelm Heinrichs, der bei der ADAM-Tochter Deutscher Investment Trust über eine Milliarde Euro in deutschen Standardwerten verwaltet.

Doch niemand wagt vorauszusagen, ob die moderaten Abflüsse nicht doch noch zur Verkaufswelle anschwellen. „Wir beobachten sehr genau, ob die Entwicklung in den USA in einen negativen europäischen Trend mündet“, sagt DWS-Fondsmanager Rosendahl. Die Barquote der internationalen DWS-Aktienfonds liegt derzeit mit rund sieben bis acht Prozent recht hoch.

Zeitweise hatte der deutsche Marktführer seine Kassenhaltung bis auf den extrem hohen Wert von zwölf bis 13 Prozent des Gesamtvermögens heraufgeschraubt. Seit Juli wurde ein Teil der Mittel investiert, aber vorerst will Rosendahl die Cashquote nicht weiter abbauen. Trotz der günstigen Bewertung vieler Aktien sei nicht absehbar, wann der Kurssturz endet.

Letztlich muss jeder Fonds auf die Rückgabe von Fondsanteilen mit Verkäufen reagieren, wenn er seine Kassenposition nicht dauerhaft senken will. Andernfalls würde bei andauernden Mittelabflüssen das Liquiditätspolster immer weiter schrumpfen.

Bisher sieht Fondsmanager Heinrichs aber keine erzwungenen Fondsverkäufe durch flüchtende Privatanleger. „Der Druck kommt mehr von Versicherern und anderen institutionellen Investoren, die ihre Aktienquoten absenken“, sagt der DIT-Experte. DWS-Vertreter Rosendahl legt allerdings großen Wert darauf, gerüstet zu sein für den Fall, dass die Verkaufslawine doch noch kommt. „Im gegenwärtigen Marktumfeld kann man überhaupt nichts ausschließen“, sagt Rosendahl.

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