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Wirtschaft: Von der Autobahn in die Rente

Berlin - Von Fernfahrerromantik keine Spur. Die Namensschilder vor den Männern auf dem Podium sind nicht von bunten Leuchtketten umrahmt.

Berlin - Von Fernfahrerromantik keine Spur. Die Namensschilder vor den Männern auf dem Podium sind nicht von bunten Leuchtketten umrahmt. Nach Cowboyhüten sucht man bei der Vorstellung der Fernfahrer-Studie in Berlin ebenfalls vergebens. Das Thema ist wohl zu ernst. Trucker, Brummifahrer, Cowboy der Straße – mit dem Klischee hat der Alltag der Lkw-Fahrer in Deutschland nichts zu tun. Stattdessen: Hassobjekt für Autofahrer, lange Arbeitszeiten, schlechte Bezahlung. Alles Gründe dafür, dass etwa ein Drittel der Kraftfahrer-Azubis vorzeitig aufgibt.

Der Berufsstand hat hierzulande ein Nachwuchsproblem. „In den kommenden zehn bis 15 Jahren gehen etwa 250 000 der jetzt etwa 660 000 Fahrer in den Ruhestand“, sagte Logistikexperte Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn. Gleichzeitig würden jährlich aber nur 3000 neue Kraftfahrer ausgebildet. Hinzu kämen rund 10 000 vorwiegend männliche Quereinsteiger, die innerhalb eines halben Jahres geschult würden. Seit dem Ende der Wehrpflicht fallen zudem die rund 15 000 Kraftfahrer weg, die den teuren Lkw-Führerschein günstig bei der Bundeswehr machen konnten. Von den 25 000 neuen Fahrern, die jährlich benötigt werden, ist die Branche also weit entfernt. Umgekehrt werde der Güterverkehr auf der Straße weiter zunehmen, zum Beispiel durch den Internethandel.

Der Branchenverband BGL fordert deshalb unter anderem eine Imagekampagne von der Bundesregierung, um das Bild vom Verkehrshindernis auf der rechten Spur zu korrigieren. „Das können wir nicht alleine bezahlen“, sagte BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt. Zumal das schlechte Image bei Weitem nicht das einzige Problem ist. Die Arbeitszeit von zum Teil mehr als 60 Stunden in der Woche, der Monatslohn von 2000 Euro brutto und der Umstand, seine Familie alle zwei Wochen für zwei Tage zu sehen, kommen hinzu. „So will heute kein junger Mensch mehr arbeiten“, sagte Schmidt. Höhere Löhne und neue Arbeitszeitmodelle könnten helfen. Für den Zustand vieler Rastplätze fand er drastische Worte. „Oft kommt man sich vor wie in Kirgistan: Es gibt keine Sanitäranlagen, man muss sich in die Büsche schlagen.“ Und an den Laderampen der Händler herrsche ein unerträgliches Klima. „Die Fahrer werden behandelt wie Menschen zweiter Klasse.“ Es gebe Speditionen, die einzelne Ketten bereits boykottierten, sagte Schmidt. Vom Einzelhandelsverband HDE war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu diesen Vorwürfen zu bekommen. Simon Frost

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