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Thermomix informierte seine Kunden nicht, dass demnächst ein neues Modell auf den Markt kommt. Ist das rechtens?

© dpa

Update

Gerichtsurteil nach Shitstorm: Vorwerk muss Kunden nicht über neue Thermomix-Modelle informieren

Tausende Käufer fühlten sich von Vorwerk hinters Licht geführt. Eine Kundin klagte sogar gegen das Unternehmen. Nun entschied das Landgericht Wuppertal.

Als Vorwerk im Frühjahr 2019 ein neues Modell des Thermomix' auf den Markt brachte, war die Reaktion anders, als das Unternehmen es sich erhofft hatte. Statt sich über die neuen Funktionen des "TM6" zu freuen, waren zahlreiche Kunden empört. In den sozialen Medien brach ein Shitstorm über dem Kult-Produkt aus.

Der Grund: Vorwerk hatte das neue Modell mit keinem Wort angekündigt. Zahlreiche Thermomix-Fans hatten sich deshalb erst kurz zuvor ein vermeintlich neues Gerät zugelegt, im Glauben, auch in den nächsten Jahren auf dem neuesten Stand der Vorwerk-Technik zu sein. Einige Käufer berichteten sogar, sie hätten explizit danach gefragt, ob denn bald ein neues Modell erscheine und der Vorwerk-Vertreter habe verneint. Tatsächlich unterscheidet sich das neueste Modell aber in einigen Funktionen von dem Vorgänger. So kann der TM6 nun auch Braten, Fermentieren und Sous-Vide-Garen.

Vorwerk hat "berechtigtes Interesse" am Abverkauf

Funktionen, die auch eine Vorwerk-Kundin aus Kaiserslautern gerne gehabt hätte. Deshalb zog sie sogar vor Gericht, um den wenige Wochen vor dem TM6-Launch getätigten Kauf rückgängig zu machen. Am heutigen Donnerstag entschied das Landgericht Wuppertal nun aber, dass sie darauf kein Recht habe. Vorwerk war laut dem Urteil nicht verpflichtet, seine Kunden lange im Voraus von dem geplanten Modellwechsel zu informieren.

Der Vorsitzende Richter Stefan Istel betonte in seiner Urteilsbegründung, der Hausgerätehersteller habe ein berechtigtes Interesse gehabt, die aktuelle Produktion noch abzusetzen, ohne Hinweise auf den künftigen Produktwechsel zu geben. Selbst wenn das neue Gerät schon in den Startlöchern gestanden habe, gebe es keine Pflicht, die Vorgängermodelle als Auslaufmodell zu bezeichnen. Auch das Amtsgerichts Wuppertal hatte die Klage der Frau zuvor abgewiesen.

Vorwerk war bereits direkt nach dem Shitstorm auf seine Kunden zugegangen. "Wir haben bei der Thermomix Einführung alle Kunden angeschrieben, die zwischen dem 20. Februar und 8. März einen Thermomix gekauft haben, und Ihnen aktiv ein individuelles Wechselangebot gemacht", teilte der Konzern dem Tagesspiegel mit. Ein Großteil dieser Kunden habe bereits am Vormittag nach der Produktvorstellung ein Wechselangebot in ihrem Mail-Postfach gehabt, die anderen Kunden seien per Brief angeschrieben worden. "Die Wechselangebote waren individuell und orientierten sich an der ursprünglichen Bestellung des Kunden", so Vorwerk weiter. Wie viele Kunden auf das Angebot eingingen, will das Unternehmen allerdings nicht verraten. Auch nicht, wie ein solches Angebot beispielsweise ausgesehen hat.

Thermomix-Hype am Ende?

Ob der Sieg vor Gericht Vorwerk bei den Kunden weiterhilft, ist indes fraglich. Schließlich will das Unternehmen ja nicht in erster Linie Recht behalten, sondern seine Geräte verkaufen. Und gerade in den in den TM6 hatte man große Hoffnungen gesetzt. Zuletzt hatte die Unternehmensspitze nämlich reihenweise schlechte Nachrichten verkünden müssen. Seit Jahren ist der Umsatz mit den Thermomixern rückläufig. Im Kernmarkt Deutschland sank er 2018 um rund 15 Prozent. Noch heftiger fielen die Verluste in Frankreich (-21,4 Prozent) und Italien (-19,7 Prozent) aus. 2015 erlöste das Unternehmen noch über 1,3 Milliarden Euro mit seinen Küchenmaschinen. 2018 waren es nur noch 1,1 Milliarden Euro. [Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version war fälschlicherweise von Millionen die Rede. Das ist nun korrigiert.]

Zum Ende des vergangenen Jahres schloss der Konzern Teile seines Werkes in Wuppertal. 200 Mitarbeiter verloren ihren Job. Die deutsche Produktion war 2015 auf dem Höhenpunkt des Thermomixer-Hypes aufgebaut worden. Das Stammwerk in Frankreich sollte entlastet werden. Nun werden nur noch einzelne Komponenten wie der Motor oder das Mixermesser in Wuppertal gefertigt. Ein drittes Werk unterhält der Konzern in Shanghai. Hier werden die Küchenmixer für den asiatischen Markt produziert.

China ist für Vorwerk nach wie vor ein Wachstumsmarkt. Die Umsätze konnten zuletzt deutlich gesteigert werden. Und auch in Deutschland lief es nach Unternehmensangaben im vergangenen Jahr wieder besser. Die Nachfrage nach dem neuen Modell sei hoch und das Wachstum wieder zweistellig, heißt es. Konkrete Zahlen wollte man aber noch nicht nennen. Außerdem investierte Vorwerk kräftig in die Infrastruktur und in digitale Geschäftsmodelle. Angekündigt waren Ausgaben von bis zum 500 Millionen Euro.

Dennoch konnten auch unternehmerische Entscheidungen der vergangenen Jahre so gedeutet werden, dass die Konzernführung ein eine Fortsetzung des sagenhaften Erfolgs des Thermomix nicht mehr glaubt und deshalb Alternativen zu kreieren versucht. So brachte Vorwerk beispielsweise die Tee-Maschine Temial heraus. Zwei Mitarbeiter hatten Temial selbst entwickelt; Vorwerk ließ sie das Produkt dann als eine Art Start-up im Traditionskonzern zur Serienreife bringen und vertreiben. Mit knapp 600 Euro ist das Gerät zwar geradezu ein Schäppchen im Vergleich zum fast 1400 Euro teuren Thermomix TM6. Es kann allerdings auch „nur“ Tee kochen. Zwar mit jeder Menge High-Tech, sodass jede Teesorte mit der exakt richtigen Temperatur die genau richtige Zeit gebrüht wird. Doch einen mit dem Thermomix vergleichbaren Hype hat Vorwerk damit noch nicht auslösen können.

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