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Wirtschaft: War’s das?

Ökonomen streiten, ob das schlechteste Quartal seit der Wiedervereinigung den Tiefpunkt markiert – oder ob es noch schlimmer wird

Berlin - Die weltweite Wirtschaftskrise hat Deutschland einen dramatischen Konjunktureinbruch beschert. Im vierten Quartal des vergangenen Jahres schrumpfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 2,1 Prozent, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag anhand von vorläufigen Zahlen mit. „Das war der größte Rückgang gegenüber einem Vorquartal im vereinten Deutschland“, heißt es in dem Bericht der Statistiker.

Der bisherige Negativrekord für Gesamtdeutschland lag bei minus 1,2 Prozent im ersten Quartal 1993. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung mit einem Wachstumsrückgang von 2,25 Prozent, 2008 dürfte die Wirtschaft dagegen wegen des guten Auftaktquartals noch um 1,3 Prozent gewachsen sein. Das BIP umfasst alle Waren und Dienstleistungen, die in einem bestimmten Zeitraum in einer Volkswirtschaft produziert werden, und gilt als Barometer für die Wirtschaftsleistung eines Landes.

Deutschland steckt tief in der Rezession. Bereits im zweiten und dritten Quartal war die Wirtschaftsleistung um jeweils 0,5 Prozent geschrumpft. Zum Ende des vergangenen Jahres hat sich der Abwärtstrend beschleunigt. Das liegt vor allem am wegbrechenden Exportgeschäft. Der Exportweltmeister Deutschland leidet stärker als andere Länder unter der Weltwirtschaftskrise und entwickelte sich deshalb zum Bremsklotz des Euro-Raums.

Weil die größte Volkswirtschaft schwächelt, brach auch das BIP in der Eurozone mit 1,5 Prozent so stark ein wie noch nie seit Bestehen der Währungsunion. Deutschland wies das größte Minus aus. Aber auch in Frankreich (minus 1,2 Prozent) und Italien (minus 1,8 Prozent ging es steil nach unten. Andere Wirtschaftsnationen trifft die Krise aber noch härter. So rechnen Ökonomen in Japan sogar mit einem Rückgang im vierten Quartal 2008 um knapp 12 Prozent. Das wäre der stärkste Absturz seit dem Ölschock in den 70er Jahren.

Ob sich Deutschland noch in diesem Jahr aus der Krise befreien kann, ist unter Ökonomen umstritten. „Wir haben den Tiefpunkt erreicht“, sagte der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Christian Dreger, dem Tagesspiegel. Zwar werde wohl auch das erste Quartal 2009 schlecht ausfallen. Im Laufe des Jahres werde sich die deutsche Wirtschaft aber erholen. Hoffnung setzt Dreger dabei vor allem auf den privaten Verbrauch. „Die Inflation ist niedrig, zudem hat es im vergangenen Jahr Lohnerhöhungen gegeben und auch in diesem Jahr werden weitere Lohnerhöhungen folgen“, sagte Dreger. Hinzu kommen die Konjunkturpakete, mit denen die Regierungen in aller Welt versuchen, die Wirtschaft anzukurbeln. Das deutsche 50-Milliarden-Euro-Paket wurde am Freitag verabschiedet.

Trotz der Milliardenhilfe rechnet auch der künftige Wirtschaftsweise Christoph Schmidt zunächst mit einem Fehlstart ins neue Jahr. Viele Betriebe arbeiten derzeit kurz. „Wir haben aber keine Anzeichen dafür, dass es jetzt noch stärker bergab geht“, sagte der Chef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung der Nachrichtenagentur Reuters. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Bert Rürup, ist vorsichtiger. „Wir werden frühestens im zweiten Halbjahr wieder Wachstum sehen“, sagte der Wirtschaftsweise, der demnächst aus dem Gremium ausscheidet und zum Finanzvertrieb AWD wechselt. Schmidt wird sein Nachfolger.

Dagegen glaubt Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, nicht an eine schnelle Erholung. „Die Leute, die da sagen, im Sommer geht es wieder aufwärts, das ist Blödsinn“, betonte Sinn im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten.

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