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In Spielzeug sind oft gefährliche Schadstoffe, von denen der Verbraucher nichts ahnt.

© dapd

Weichmacher im Spielzeug: Spiel mit der Gesundheit

Gefahren im Spielzeug: Ab dem nächsten Jahr gelten laxere Grenzwerte für giftige Stoffe. Die FDP fordert eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft, die SPD will ein Verbot aller chemischen und hormonellen Stoffe.

Von Carla Neuhaus

Eigentlich sind die Politiker sich einig. Eigentlich will keiner von ihnen in Deutschland Spielzeug zulassen, das Kinder krank macht und im Verdacht steht, Krebs zu erzeugen. Das die Intelligenz mindert, die Anzahl der Spermien reduziert und die Nieren schädigt. Und trotzdem werden Tester immer wieder fündig: Im Glitzerpony steckt Blei, die pinke Babypuppe enthält krebserregende PAK-Substanzen, der Auspuff des Plastikfahrzeugs setzt Nickel frei. Ab kommendem Jahr könnten sogar noch mehr schädliche Substanzen im Spielzeug stecken, ganz legal. Die Regeln werden nicht strenger, sie werden lockerer. Das liegt an einer EU-Richtlinie, die ab Juli 2013 einen höheren Einsatz von Schwermetallen wie Arsen, Quecksilber und Blei bei der Spielwarenproduktion zulässt.

„Die Sicherheit von Spielzeug hat für die Bundesregierung höchste Priorität“, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium. Man setze sich „intensiv für eine weitere Verbesserung der Grenzwerte des chemischen Teils der Spielzeugrichtlinie ein“. Die Opposition hält dagegen. „Was bislang passiert ist, reicht nicht“, sagte Elvira Drobinski-Weiß, verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel. Sie fordert ein striktes „Verbot aller chemischen und hormonellen Stoffe“.

Gemeint sind damit vor allem die Weichmacher, die Kunststoffe geschmeidiger machen. Sie stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Bislang sind in Deutschland sechs Weichmacher verboten – drei für alle Spielzeuge und drei nur für solche, die explizit dafür gedacht sind, in den Mund genommen zu werden. „Das ist absurd“, kritisiert Sarah Häuser vom BUND. „Kinder stecken Spielzeug grundsätzlich in den Mund, egal ob es dafür gedacht ist oder nicht.“ 

Außerdem bringe die Industrie als Folge dieser einzelnen Verbote immer wieder neue Weichmacher auf den Markt, die dann erst mal nicht verboten seien. „Bei denen weiß man zunächst nicht, wie sie wirklich wirken“, sagt Häuser. Zwar müsse die Industrie Testergebnisse vorlegen – aber dass der Stoff zum Beispiel keine hormonelle Wirkung hat, müssten die Hersteller nicht nachweisen. Weichmacher stehen im Verdacht, die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen. „Außerdem können sie zu Missbildungen im Genitalbereich führen und hormonbedingte Krebsarten wie Brustkrebs fördern“, sagt Häuser. Auch bei dem Einsatz von Schwermetallen sehen Experten wie Oppositionspolitiker Nachholbedarf. Zwar hat die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof Klage eingereicht, um auch dann noch strengere Regeln in Deutschland durchsetzen zu können, wenn die neue EU-Richtlinie mit laxeren Vorgaben greift. Doch „die Klage hätte viel früher gestellt werden müssen“, meint Drobinski-Weiß. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, ist mit einem Urteil in erster Instanz möglicherweise erst im Frühjahr 2014 zu rechnen. Dann wären die laxeren Vorgaben längst in Kraft und Spielzeug mit höherer Schadstoffbelastung möglicherweise schon auf dem Markt.

Deshalb fordern SPD und Grüne, die Industrie solle sich selbst dazu verpflichten, weniger Schadstoffe einzusetzen. Selbst FDP-Politiker Erik Schweickert räumte gegenüber dem Tagesspiegel ein: „Wer sich positiv im Wettbewerb abheben möchte, für den wäre eine freiwillige Selbstverpflichtung zu höheren Standards sicherlich ein guter Weg.“ Das Verbraucherministerium schließt sich dieser Forderung bislang nicht an. Staatssekretär Robert Kloos teilte mit, er sehe derzeit „keinen Bedarf, alternative Maßnahmen wie etwa eine Selbstverpflichtung ins Gespräch zu bringen“.

Uneinigkeit gibt es auch bei der Frage der Kennzeichnung. Das Zeichen für geprüfte Sicherheit (GS) „sollte für alle Spielwaren Pflicht sein“, fordert Drobinski-Weiß. Bislang verließen sich zu viele Verbraucher zum Beispiel auf das CE-Kennzeichen. Zwar bedeutet das, die Hersteller haben sich an die geltenden Gesetze gehalten. Doch nachgeprüft wird das nicht. „Die Hersteller können das CE-Zeichen einfach ohne Überprüfung Dritter aufdrucken“, bestätigt Sarah Häuser vom BUND. „Der Verbraucher muss auf den ersten Blick erkennen können, ob ein Spielzeug sicher ist“, fordert Drobinski-Weiß.

Etwas tut sich immerhin. Um die Sicherheit des aus China importierten Spielzeugs zu verbessern, trifft sich Ende August in Berlin eine Arbeitsgruppe: Ministerialbeamte aus Deutschland und China sollen über Produktsicherheit diskutieren. „Das Thema Spielzeug steht neben einer Reihe weiterer Themen auf der Tagesordnung“, heißt es im Bundeswirtschaftsministerium.

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