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Möbel an der Tankstelle. Im Kreditkartenformat werden die Gutscheine verschiedener Anbieter verbreitet – auch dort, wo ihre Produkte sonst nicht verkauft werden.

© promo

Weihnachtsgeschäft: Frauen sind großzügiger als Männer

Der Trend beim Schenken geht zum Gutschein. Das Weihnachtsgeschäft zieht sich dadurch ins neue Jahr. Etwa 15 Prozent aller Gutscheine werden allerdings nie eingelöst und verfallen.

Berlin - Es ist beinahe ein Kulturkampf, der vor Weihnachten im Einzelhandel ausbricht. Einer zwischen Schenkenden und Beschenkten. Auf Platz eins der Wunschlisten stehen 2010 wie in den Vorjahren: Bücher. Spitzenreiter unter den beliebtesten Weihnachtsgeschenken sind in diesem Jahr aber erstmals Gutscheine. Die Beratungsfirma Deloitte spricht von einem „Trend zum Pragmatismus“, der sich überall ausbreite. „Insgesamt legen Gutscheine in ganz Europa an Beliebtheit zu“, heißt es in einer aktuellen Studie zu den Konsumgewohnheiten im Advent. Und glaubt man den Vertretern des Einzelhandels, sind tatsächlich alle glücklich darüber.

„Ein Fünftel aller Geschenke sind inzwischen Gutscheine oder Bargeld“, sagt Kai Falk, Geschäftsführer des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels (HDE). Das sei gut für die Händler, „weil das Geschäft nach Weihnachten weitergeht“. Und natürlich auch gut für die Beschenkten, die sich endlich nicht mehr über Socken und Krawatten ärgern müssen, die sie nicht mal geschenkt haben wollen. Und sehr angenehm sei es nicht zuletzt auch für den Schenkenden selbst, meint Falk, denn dieser finde – befreit vom Zwang zur Originalität – im Gutschein „eine Alternative“ zum persönlichen Präsent.

Der deutsche Durchschnittsschenker kommt dabei in dieser Saison rechnerisch auf einen Gutscheinwert von 94 Euro. Die „bescheidenen Teutonen“ (Deloitte) liegen mit ihrem Weihnachtsbudget von insgesamt 470 Euro im europäischen Vergleich deutlich zurück. In Luxemburg werden dagegen 1200 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgegeben, selbst die Iren wollen in diesem sehr schwierigen Jahr im Schnitt mehr als 1000 Euro ausgeben. In Frankreich sind es 605 Euro. Und auch Spanier (655 Euro) und Italiener (640 Euro) sind großzügiger als die Deutschen. Eine Umfrage von Ernst & Young kommt zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass Menschen mit höheren Einkommen auch mehr für Gutscheine ausgeben. Und Frauen verschenken deutlich wertvollere Gutscheine als Männer.

Weil die Deutschen auch beim Schenken gerne auf Nützlichkeit und einen günstigen Preis achten, wird der Gutschein immer beliebter: Denn kaum ist Weihnachten vorbei, fallen in den Kaufhäusern die Preise. „Wir merken, dass nach Weihnachten sehr stark mit Gutscheinen eingekauft wird“, sagt ein Ikea- Sprecher. Der Anteil an den gesamten Umsätzen sei in den vergangenen Jahren gestiegen. „Das hat unserem Geschäft einen zusätzlichen Schub gegeben.“ Häufig hätten Familien oder Freunde Geld für einen Gutschein zusammen gelegt, der nach den Feiertagen in Mobiliar umgetauscht werde.

Der 2008 gegründete Dienstleister Retailo aus Köln hat den Gutschein zum Geschäftsmodell erklärt und überzieht das Land inzwischen mit seiner „Geschenkkartenwelt“ in Regalen und Drehständern. Die bunten, an der Kasse aufladbaren Plastikkarten-Gutscheine verschiedener Anbieter hängen bereits in rund 15 500 Tankstellen, Supermärkten, Flughafen- und Bahnhofsbuchhandlungen, Banken und Blumenläden. Geld verdient Retailo mit den Provisionen für die Gutschein-Abwicklung. „Zahlreiche namhafte und sehr geschenkrelevante Partner“ wie Apple, C & A oder Galeria Kaufhof nutzen nach Angaben von Retailo den Service. Eine Million Karten wollte Retailo zuletzt im Jahr in Deutschland verbreiten – bei steigender Tendenz. Angaben darüber, ob die Ziele erreicht wurden, macht die Firma, die drei internationalen Beteiligungsgesellschaften gehört, nicht. Abgeschaut hat sich die Kölner Retailo das Geschäft auf dem US-Markt, wo zwei Drittel aller Gutscheine breit gestreut über Kartendienste verkauft werden.

„Wir machen seit Jahrzehnten steigende Umsätze mit Einkaufsgutscheinen“, sagt C&A-Sprecher Thorsten Rolfes. Früher auf Papier, heute im Kreditkartenformat: Bei einem Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro in diesem Geschäftsjahr werde C&A auch die anteiligen Gutschein-Erlöse wieder steigern. „Die Wirtschaftserholung kommt beim Verbraucher an“, sagt Rolfes. Wie andere Einzelhändler auch setzt C&A darauf, dass die Gutschein-Kunden mehr Geld im Kaufhaus ausgeben als ihr Gutschein beziehungsweise die Karte eigentlich hergibt. Plastikgeld im Portemonnaie senkt die Hemmschwelle beim Shoppen.

Die Parfümerie-Kette Douglas verkauft mehr als vier Millionen Gutscheine im Jahr. „Wir sind mit dem Gutscheingeschäft, das sich seit Jahren positiv entwickelt, sehr zufrieden“, sagt Sprecher Michael Rotermund. Den Erfolg führt er auch darauf zurück, dass Douglas-Gutscheine in Teilbeträgen eingelöst werden können und unbefristet gültig sind. Letzteres hilft den Beschenkten, die ihren Gutschein im Weihnachtsrummel vergessen – und möglicherweise erst nach Jahren wiederfinden. Oder auch nicht. Schätzungen zufolge werden 15 Prozent aller Gutscheine gar nicht eingelöst. Für den Handel ist das ein hübscher Nebeneffekt des Geschäfts mit den Gutscheinen. mit jmi

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