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Joe Kaeser (links), noch Vorstandsvorsitzender von Siemens, mit seinem Nachfolger Roland Busch.

© picture alliance/dpa

Vor dem Börsendebüt von Siemens Energy: Werben um Investoren

Erster großer Auftritte von Christian Bruch: Beim Kapitaltag stellt der Chef der SE seine Strategie für die kommenden fünf Jahre vor.

Der designierte Konzernchef gönnte sich nur einen Kurzauftritt und überließ die Bühne dem Management der neuen Siemens Energy AG (SE). Roland Busch, der Anfang kommenden Jahres Joe Kaeser als Vorstandsvorsitzender der Siemens AG ablöst, lobte seinen Vorgänger, der die Medizintechnik (Siemens Healthineers) aus dem Konzern gelöst und an die Börse gebracht hatte, und nun mit der Energiesparte das Herz des mehr als 150 Jahren Unternehmens in die Selbstständigkeit entlässt.

Für eine Übergangszeit ist Siemens mit 35,1 Prozent der größte Aktionäre der SE, und Kaeser bleibt der „neuen“ Aktiengesellschaft als Aufsichtsratsvorsitzender verbunden.

Der Mutterkonzern steht ab Oktober nur noch auf drei Beinen: Digitale Industrie, Infrastruktur und Mobilität (Schienenfahrzeuge und Signaltechnik); dazu kommen die Beteiligungen an Siemens Healthineers und der SE.

Durch die Abspaltung des Energiegeschäfts, das in den letzten Jahren immer schlechter lief, werde Siemens ein „transparenteres und deutlich risikoärmeres Unternehmen“, meinte Kaeser.

Siemens behält 35,1 Prozent

Mit dem Risiko leben muss vor allem Christian Bruch, den Kaeser erst vor ein paar Monaten von Linde zu Siemens Energy geholt hatte. Am Dienstag stellte der Vorstandschef der SE den Investoren seinen Strategie für die kommenden fünf Jahre vor und warb um Vertrauen der Kapitalmärkte.

Ob das gelang, wird sich am 28. September zeigen, wenn die SE ihr Börsendebüt erlebt. 55 Prozent der Aktien werden den bisherigen Siemens-Aktionäre zugeteilt, knapp zehn Prozent übernimmt der Siemens Pensionsfonds.

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Der Rückzug des Mutterkonzerns war Kaeser immer wichtig gewesen, um der SE größte Eigenständigkeit zu ermöglichen. Und natürlich eine positive Entwicklung.

Christian Bruch kam erst vor ein paar Monaten vom Gasekonzern Linde zu Siemens.

© imago images / argum

Mit der Abspaltung verliert Siemens auf einen Schlag rund 90 000 Mitarbeiter und 29 Milliarden Euro Umsatz. Gerade in den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Turbulenzen gegeben, weil Kaeser in dem Energiebereich ganze Standorte in Frage gestellt hatte (Görlitz etwa und das Berliner Schaltwerk) und die Rendite auch aufgrund wechselhafter Energiepolitik unter Druck geriet. 2017 erreichte der Bereich noch eine operative Marge von sieben Prozent, im laufenden Geschäftsjahr, das bei Siemens Ende September endet, steht vermutlich eine Schwarze Null unterm Strich.

Deutlich höhere Rendite versprochen

Bruch verspricht Besserung: 2021 soll es drei bis fünf Prozent Rendite geben, 2023 6,5 bis 8,5 Prozent und 2025 mindestens acht Prozent. „Wir sind nicht zufrieden mit der operativen Performance“, räumte der SE-Chef ein. Dabei habe man „ein phantastisches Portfolio“ unter dem Dach der SE, doch auch „harte Entscheidungen“ seien möglich, wenn einzelne Geschäfte nichts abwerfen. Als wichtigste Hebel zur Steigerung der Leistungsfähigkeit sieht der SE-Chef eine bessere Kostenstruktur, eine optimierte Logistik und den zentralen Einkauf. Auch wegen der Effekte der Coronakrise auf das Geschäfte möchte Bruch bis 2023 rund 300 Millionen Euro zusätzlich sparen.

Stromproduktion steigt enorm

Die neue SE ist entlang der gesamten Energiewertschöpfungskette tätig, von der Stromerzeugung, über den Transport und die Umwandlung, bis hin zu industriellen Applikationen. Die Gewinnung, Verarbeitung und der Transport von Öl und Gas zu zentralen und dezentralen Kraftwerken gehört ebenso zum Programm wie die Energiespeicherung und Sektorkopplung. Das in Berlin-Moabit ansässige Gasturbinenwerk mit mehr als 3000 Beschäftigten zählt zu den größten Fertigungsstandorten der SE.

Das Gasturbinenwerk in Moabit gehört zu den großen Fertigungsstandorten von Siemens Energy.

© picture alliance / Steffen Kugle

Schließlich kommt die Windanlagenfirma Gamesa, an der Siemens mit 67 Prozent beteiligt ist, unter das Dach der neuen SE. Denn dahin geht der Trend: Bis 2040 erwartet Bruch einen Anstieg der weltweiten Stromproduktion - unter anderem wegen der Elektromobilität und der Digitalisierung - um 50 Prozent. Dieses Wachstum werden vorrangig erneuerbare Energien tragen. Die jüngste Vergangenheit war indes schwierig: Gamesa leidet erheblich unter der stockenden Aufstellung von Windrädern. Im onshore-Geschäft erwarten die Gamesa-Manager aufgrund des Widerstands gegen Windräder nur eine „solide Nachfrage“, während es offshore deutlich mehr Anlagen geben dürfte. Auch für die Produktion von grünem Wasserstoff „wird Windenergie eine Schlüsselrolle spielen“, glaubt Gamesa- Chef Andreas Nauen, der 2021 als „Übergangsjahr“ sieht mit einm Windanlagen- Umsatz von elf Milliarden Euro und einer Marge von drei bis fünf Prozent.

Wasserstoff erst perspektivisch

Mit Wasserstoff kennt der frühe Linde-Manager Bruch sich aus, und deshalb warnte er während des Kapitaltags vor großen Erwartungen. Bis 2025 werde der Bereich Geld kosten und frühesten in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts zur Acht-Prozent-Marge beitragen. Dabei hat Siemens Energy bereits Hybridkraftwerke und Gasturbinen ausgestattet und produziert, die mit Wasserstoff betrieben werden. Aber das befindet sich noch mehr oder weniger im Experimentierstadium - weil Strom hierzulande teuer ist und CO2-Zertifikate billig sind.

Alles in allem gehört die SE nach eigenen Angaben zu den „Branchenführern bei der Dekarbonisierung“ – mehr als 50 Prozent des Portfolios sei bereits CO2-frei. Etwa ein Sechstel der weltweiten Stromerzeugung basiere auf Technologien von Siemens Energy. Damit spielt das Unternehmen eine besondere Rolle bei der Transformation zu einer klimaneutralen Energiewirtschaft. „Unsere Kunden stehen vor der großen Herausforderung, ihre Anlagen nachhaltiger zu machen“, sagte Bruch und warb gleichzeitig um Geduld, da das „nicht über Nacht passiert“. Ferne sei zu berücksichtigen, dass mehr als 850 Millionen Menschen noch immer ohne Elektrizität lebten.

Der Sitz der SE ist noch offen

„Wie schaffen wir eine bezahlbare, zuverlässige und nachhaltige Stromversorgung?“, fragte Bruch und reklamierte Technologieoffenheit und „Zwischenlösungen“, wozu vor allem Gas gehört. Neue Technologien könnten auch die Nutzung von Kohle sauberer machen, die für Bruch indes ein Brennstoff ohne Zukunft ist. Joe Kaeser war in mediale Turbulenzen geraten, als er den Verkauf von Schienentechnk an ein australisches Unternehmen verteidigt hatte, das auf der Schiene Kohle transportiert.
„Siemens Energy ist genau der richtige Partner, um all diese Herausforderungen zu meistern“, meinte Bruch zum Klimaschutz. Dazu gibt die SE im Jahr eine Milliarde Euro für Forschung und Entwicklung aus und hält rund 24 000 Patente.]Wo der operative Sitz der neuen SE ist, will der SE-Chef bis Ende des Jahres entscheiden. München und Mülheim, Erlangen und Berlin kommen in Frage.

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