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Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL

© REUTERS/ANNEGRET HILSE

Weselsky beginnt den nächsten Bahn-Konflikt: Lokführer fordern 555 Euro mehr im Monat

Der Tarifstreit mit der Eisenbahngewerkschaft EVG ist noch nicht beigelegt, da kündigt sich bereits die nächste Auseinandersetzung an.

| Update:

Der Konkurrenzkampf der Bahn-Gewerkschaften geht in eine neue Runde. Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL, stellte am Montag die Tarifforderungen seiner Organisation vor: Die GDL will pro Monat 555 Euro mehr Lohn für alle Mitglieder sowie eine Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich für Schichtarbeiter. Dazu fordert die Gewerkschaft eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 3000 Euro.

Ebenfalls am Montag sondierten die Verhandlungsführer der Eisenbahnergewerkschaft EVG mit Bahn-Personalchef Martin Seiler das weitere Vorgehen: Entweder werden die Tarifgespräche im Verlauf der Woche fortgesetzt, oder es gibt weitere Warnstreiks.

Die Bahn schließt sowohl Tarifverträge mit der EVG als auch mit der GDL ab und wendet die Regelungen dann aber nach dem Mehrheitsprinzip des Tarifeinheitsgesetzes an: Es kommt nur der Tarif der Gewerkschaft zur Anwendung, die in einem Unternehmen der Bahn die Mehrheit hat. Von den mehr als 70 betroffenen Betrieben gilt das ganz überwiegend für die EVG, die mit 185.000 Mitgliedern etwa fünfmal so groß ist wie die GDL. Angaben der Bahn zufolge hat die GDL nur in 16 Betrieben die Mehrheit. Beide Gewerkschaften streben die Mitgliedermehrheit in möglichst vielen Betrieben an und nutzen dazu Tarifkonflikte zur Mitgliederwerbung.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler hat der EVG ein Angebot gemacht, das die Personalkosten um 1,4 Milliarden Euro erhöhen würde.

© dpa/Arne Dedert

Bereits im vergangenen Februar ist der Tarifvertrag der Bahn mit der EVG abgelaufen, der Vertrag mit der GLD läuft noch bis Ende Oktober. Bis dahin herrscht Friedenspflicht: Weselsky kann seine Mitglieder, nach eigenen Angaben sind es 39.000, erst ab November für die gewerkschaftliche Forderung streiken lassen.

Die EVG hat in den vergangenen Monaten immer wieder mit Warnstreiks die Verhandlungen zu beeinflussen versucht. Am 27. März legte die Bahngewerkschaft gemeinsam mit Verdi den gesamten öffentlichen Verkehr für 24 Stunden lahm. Ein für 50 Stunden angekündigter Streik wurde Mitte Mai durch eine kurz zuvor getroffenen Vergleich vor dem Arbeitsgericht verhindert. Seitdem besserte die Bahn ihr Angebot zwar nach, doch für die EVG ging das nicht weit genug.

650
Euro fordert die EVG pro Kopf und Monat.

Aufgrund der hohen Inflationsrate und aufgrund des Nachholbedarfs nach mageren Coronajahren forderte die EVG 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen sowie eine Laufzeit des neuen Tarifvertrags von zwölf Monaten. Seiler hatte zuletzt eine Erhöhung der unteren Einkommen um sechs Prozent im kommenden Dezember und um weitere sechs Prozent ab August 2024 angeboten; zu den unteren Einkommen gehören rund 20.000 der 180.000 Tarifbeschäftigten der Bahn.

Kristian Loroch führt gemeinsam mit Cosima Ingenschay die Verhandlungen für die EVG.

© dpa/Arne Dedert

Für die mittleren Einkommen sieht das Angebot zu den gleichen Zeitpunkten eine Erhöhung um jeweils fünf Prozent und für die höheren Einkommen um jeweils vier Prozent vor. Dazu legte Seiler die Zahlung einer steuer- und abgabenfreien Inflationsprämie für alle auf den Tisch: 1450 Euro im Juli und im November weitere 1400 Euro. Die EVG lehnte das Paket ab: Ohne einen Mindest- oder Festbetrag, von dem untere Einkommen überproportional profitieren, werden man keinen Tarifkompromiss schließen.

Neben den materiellen Differenzen gibt es einen weiteren Grund, weshalb Bahn und EVG den Tarifkonflikt noch nicht gelöst haben: Sie warten auf Claus Weselsky respektive die Tarifforderung der Gewerkschaft der Lokführer, die sich über die teilweise aggressive Abgrenzung der Tarifpartnerschaft zwischen Bahn und EVG definiert.

Weselsky: „Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitglieder nachhaltig verbessern“

Nachdem sich die EVG im Herbst 2020 aufgrund der Pandemie auf ein „Bündnis für Bahn“ inklusive Lohnzurückhaltung verständigt hatte, nutzte Weselsky die Gelegenheit zu einer unnachgiebigen Tarifauseinandersetzung mit mehrtägigen Lokführerstreiks im Sommer 2021. Erst mithilfe der Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und Daniel Günther (CDU) konnte der Konflikt gelöst werden.

Auch jetzt greift Claus Weselsky wieder hoch ins Regal. „Tariferhöhungen allein werden für eine flächendeckende Zufriedenheit und notwendige Verbesserungen für die Eisenbahner nicht reichen“, sagt der Chef der Gewerkschaft der Lokführer. Weselsky fordert einen Anstieg des Arbeitgeberanteils für die betriebliche Altersvorsorge um fünf Prozent. Dazu sollen Schichtarbeiter maximal fünf Schichten pro Woche arbeiten.

GDL gründet Genossenschaft

„Die GDL wird neue Maßstäbe für den Eisenbahnmarkt setzen“, sagte Weselsky am Montag und meinte die Gründung einer Genossenschaft „Fair Train“, für die jedes GDL-Mitglied Anteile erwerben kann. Geschäftszweck der Genossenschaft ist die Beschäftigung von Lokomotivführern, die dann per Arbeitnehmerüberlassung an die Bahn oder deren Wettbewerber ausgeliehen werden. Damit reagiert Weselsky auf die mit dem Tarifeinheitsgesetz einhergehende Marginalisierung der GDL. Anders als in den Betrieben, in denen die GDL die Minderheitsgewerkschaft ist, „werden in der Genossenschaft die GDL-Tarifverträge sicher angewendet“, sagte Weselsky.

Die Bahn reagierte gelassen auf die Ankündigung sowie die Tarifforderung. Im Herbst werde man mit der GDL über neue Tarifverträge für etwa 10.000 Beschäftigte verhandeln und zeitnah die Forderung bewerten. Priorität habe gegenwärtig die Tarifverhandlung mit der EVG, die 180.000 Mitarbeitende betreffe, teilte die Bahn mit.  

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