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Nutzerbewertungen sind eine zentrale Entscheidungshilfe beim Online-Kauf.Foto: imago

© imago images/Arnulf Hettrich

Wenn die Sterne lügen: Wie Fake-Bewertungen im Netz reduziert werden sollen

Falsche Bewertungen sind seit Jahren ein Problem. Das Bundeskartellamt hat das nun untersucht und macht konkrete Vorschläge, um die Fakes einzudämmen.

Gekaufte und manipulierte Bewertungen im Internet sind ein großes Geschäft. So liegen die Preise für eine einzelne Amazon-Bewertung im Bereich von 15 bis 30 Euro. Vermittler von Bewertungen für den deutschen Amazon-Marktplatz können so sechs- bis siebenstellige Jahresumsätze erzielen. Dies zeigen die Ergebnisse einer groß angelegten Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes zu Nutzerbewertungen im Internet. Das Kartellamt hatte die Untersuchung im Mai 2019 gestartet und befragte über 60 große Internet-Portale, die Nutzerbewertungen aus 16 Branchen anzeigen, sowie zahlreiche weitere Marktteilnehmer.

Einige Anbieter gehen gegen Fakes vor

„Nutzerbewertungen sind eine ganz zentrale Entscheidungshilfe beim Online-Kauf“, sagt Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. Leider seien daher auch sogenannte Fake-Bewertungen ein weit verbreitetes Phänomen. Dabei gehen von den 60 befragten Portalen, Amazon, Holidaycheck, Jameda und Mobile.de mit Abmahnungen und Klagen vor Gericht teils seit Jahren aktiv gegen die Vermittlung von Bewertungen vor. In einer Reihe von Fällen waren sie dabei auch erfolgreich.

Allerdings wünschen sich manche Anbieter noch weitergehende Möglichkeiten und weisen darauf hin, dass es aufgrund der geltenden Rechtslage in Deutschland schwierig sei, nicht-authentische Bewertungen nachhaltig einzuschränken. Insbesondere komme hierzulande eine strafrechtliche Verfolgung von Bewertungsvermittlern, wie sie in Italien oder Großbritannien möglich sei, nicht infrage. „Die Einordnung als strafrechtlich verfolgbarer Tatbestand würde uns die Möglichkeit geben, direkter und noch intensiver gegen Bewertungsbetrüger vorzugehen und es uns erleichtern, ihnen das Handwerk zu legen“, sagt Georg Ziegler, der bei Holidaycheck für Inhalte und Community zuständig ist. Er hoffe, dass die aktuelle Diskussion dazu beitrage.

Fälscher organisieren sich bei WhatsApp & Co.

Allerdings sei die Vermittlung von Bewertungen in den letzten Jahren laut Kartellamt schon zunehmend in den Untergrund verdrängt worden. So wird das Geschäft anonym über Gruppen in sozialen Netzwerken wie Facebook, Telegram und WhatsApp organisiert. Das Kartellamt hat allein bei Facebook 16 ausgewählte Gruppen wie „Amazon Produktester Germany/DE“ näher betrachtet, diese hatten im Durchschnitt jeweils 6300 Mitglieder und täglich circa 60 neue Nachrichten.

Das Bundeskartellamt hat daher Online-Portale und Suchmaschinen aufgefordert, auf ihren Seiten mehr gegen sogenannte Fake-Bewertungen zu tun. Die meisten Portale verwendeten bislang lediglich Wortfilter oder verließen sich auf nachträgliche Meldungen von auffälligen Bewertungen, kritisieren die Wettbewerbshüter. „Viele Portale prüfen abgegebene Bewertungen zwar automatisiert oder manuell auf beleidigende oder unsachliche Ausdrücke hin, auf Werbung oder auf mögliche Datenschutzverstöße. Eine Prüfung auf Authentizität oder das Vorliegen verdeckter Produkttests findet jedoch großteils gar nicht oder nur kursorisch statt“, heißt es in dem Bericht.

Fakes per Datenanalyse erkennen

Die Portale sollten verstärkt Möglichkeiten automatisierter Datenanalyse nutzen, um Fake-Bewertungen zu identifizieren. So könnten eine Analyse von Metadaten der Bewertungsabgabe (Zeitpunkt, Standort, Gerät) und die Kombination von Informationen (Vergleich aller Rezensionen eines Nutzers, Vergleich aller Bewertung für ein Produkt) verdächtige Muster offenlegen. Einzelne Anbieter gingen auch so vor und nutzten dabei Methoden des maschinellen Lernens. Die identifizierten Verdachtsfälle würden dann teils noch manuell geprüft.

Die Portale sollten stärker in die Pflicht genommen werden, nicht-authentische Bewertungen auf ihren Seiten zu identifizieren und zu entfernen, fordert das Kartellamt. Eine Grundlage bieten Änderungen einer EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die derzeit in nationales Recht umgesetzt werde und in diese Richtung gehe.

Das Kartellamt selbst hat kaum Möglichkeiten, etwas gegen die Praktiken zu tun. Verfahren gegen Unternehmen, bei denen es den Verdacht auf Verbraucherrechtsverstöße gibt, kann das Bundeskartellamt nicht einleiten. Im Gegensatz zum Kartellrecht hat die Behörde beim Verbraucherschutz keine entsprechenden Befugnisse. Dagegen könnten Verbraucherschutzorganisationen Klagen gegen Portale anstrengen, die systematisch zu wenig gegen nicht-authentische Bewertungen unternehmen. „Solange die Versäumnisse nicht offengelegt werden und damit ein entsprechender Imageschaden für das Portal entsteht, haben viele Portale bisher offenbar keinen Anreiz, viel in die Aufdeckung nicht-authentischer Bewertungen zu investieren“, heißt es im Bericht.

Neben restriktiven Maßnahmen befürworten die Kartellwächter jedoch auch Anreize und legale Möglichkeiten, um die Zahl der Bewertungen zu erhöhen. Die meisten Verbraucher achten auf Bewertungen und lassen sich bei ihrer Kaufentscheidung stark davon leiten, ob ein Angebot viele und gute Bewertungen aufweist. Doch die wenigsten seien auch bereit, selbst welche zu schreiben. 

Bezahlte Bewertungen erlauben?

Eine naheliegende Lösung, Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen, bestehe darin, „die Bezahlung von Bewertungen zuzulassen“. Verbraucherrechtlich ist dies zulässig, sofern die Bewertung nicht manipuliert wird und eine entsprechende Kennzeichnung erfolgt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Einsatz von kostenfreien Produkttests. Dabei könnten auf Produkttests basierende Bewertungen gekennzeichnet und damit aus der Illegalität geholt werden. „Bisher gehen Versuche, verdeckte Produkttest Bewertungen zu reduzieren, fast immer in die Richtung, dass entsprechende Bewertungen insgesamt verhindert werden sollen“, schreiben die Kartellwächter. Eine sinnvolle Alternative oder zumindest Ergänzung zu diesen Maßnahmen bestünde darin, klar als Produkttest gekennzeichnete Bewertungen auf einem Portal zuzulassen. Dabei müsse sichergestellt werden, dass Anbieter als Auftraggeber von Produkttests keinen Einfluss auf den Inhalt der Bewertung nehmen können, sondern höchstens formale Vorgaben wie zur Länge machen dürfen. Amazon bietet mit Vine bereits seit längerem ein offizielles Produkttesterprogramm. Kritisiert werden jedoch von Händlern die Kosten der Teilnahme. Das Kartellamt sieht außerdem kritisch, dass Produkttests anderer im Markt tätiger Bewertungsvermittler bei Amazon ausgeschlossen seien.

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