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Blauer Himmel, taufrische Weiden – so wollen Lebensmittelhersteller ihre Kunden glauben machen, sie kauften ein Produkt aus Freilandhaltung.

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Verpackungen: Wie uns die Lebensmittelindustrie in die Irre führt

Trügerische Idylle: Mit Bildern von grünen Wiesen und zufrieden grasenden Rindern verkaufen Fleischproduzenten Würstchen aus Massentierhaltung. Auch in anderen Segmenten versuchen Hersteller, uns zu täuschen.

Von Maris Hubschmid

Ein Assoziationsspiel. Welche Bilder verbinden Sie mit den folgenden Begriffen? Bauernglück. Mühlenhof. Gut „Drei Eichen“. Purland. Sehen Sie das kleine Fachwerkhäuschen vor sich? Die saftig-grünen Wiesen? Recht so. Genau so haben es sich die Erfinder gedacht.

Und genau so illustrieren sie, was sie verkaufen wollen: Geflügel, Schinken, Würstchen. Weil sie hoffen, dass wir noch etwas anderes sehen – zufriedene, frei laufende Tiere. Nur, dass die Wirklichkeit meist wenig mit diesen Bildern zu tun hat, wie Tier- und Verbraucherschützer monieren. Immer wieder mahnen sie die trügerische Idylle auf Verpackungen an. „Wo ein märchenhafter Bauernhof drauf ist, ist oft Mastbetrieb drin. Fast der gesamte Fleischmarkt ist davon durchdrungen“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. Das Ergebnis: 83 Prozent der untersuchten Verpackungen tragen im Namen Begriffe wie „Land“, „Hof“ oder „Wiese“ oder verwenden Bild-Elemente wie Fachwerkhäuser, Berge, Weiden und blauen Himmel.

90 Prozent der Tiere haben nie die Sonne gesehen

Die Marke „Alpengut“ vom Discounter Lidl zeigt unter schneebedeckten Gipfeln üppig bewachsene Hänge. „Die Aufmachung suggeriert, die Tiere lebten auf einem idyllischen Gut in den Alpen und hätten viel Auslauf an der frischen Luft“, sagt Valet. Über die tatsächlichen Zustände gibt es keine Informationen. Wie Tiere etwa in den Hallen von Geflügel-Marktführer Wiesenhof aufwachsen, darüber ist viel berichtet worden. Bei anderen Fabrikanten haben es Verbraucher schwerer. „Bei keinem der Produkte war es möglich, nachzuvollziehen, woher das Fleisch stammt“, sagt Valet. Fest steht: Weit mehr als 90 Prozent der Tiere, deren Fleisch in Deutschland auf dem Teller landet, haben nie die Sonne gesehen – oder allenfalls auf ihrem Weg vom Stall in den Transporter zum Schlachthof. Man kann argumentieren, der aufgeklärte Verbraucher wisse das. Studien haben allerdings ergeben: Immerhin jeder vierte Konsument springt auf die Packungsidylle an.

Woher stammt dieses Fleisch? Jedenfalls nicht von dem einladenden Hof, der abgebildet ist.

© vzhh

Rechtlich ist die Verwendung bestimmter Bilder nicht definiert. „Das bleibt im Graubereich“, sagt Valet. Zur Diskrepanz von Bebilderung und Produkt wollen sich die meisten Firmen nicht äußern. Die übrigen streiten Täuschungsabsichten ab. Bei der Firma Gelderland, die Real mit einem Schinken beliefert, der mit Fachwerkhaus und blühender Natur daherkommt, heißt es: „Wir wollen nicht den Anschein erwecken, dass es sich um Schweinefleisch aus Freilandhaltung handelt. Der abgebildete Hof ist den Höfen nachempfunden, die in der Gegend rund um unseren Firmensitz zu finden sind.“ Das Unternehmen Gutfleisch, eine Edeka-Marke, erklärt, dass es sich bei dem Logo um „ein stilisiertes Markenzeichen“ handele, eine sogenannte Wort-Bildmarke, die allein symbolisch zu begreifen sei. Auch Aldi-Lieferant Bauernglück teilt mit: Hier sei „natürlich von einer Versinnbildlichung“ auszugehen.

Verbraucherschützer fordern staatliche Siegel

Ähnliche Diskussionen gab es jahrelang um Eier – dürfen auf dem Karton freilaufende Hühner abgebildet sein, wenn die Eier aus Käfighaltung stammen? Im Fall einer Schachtel aus dem Hause Rewe befand ein Gericht: Nein. „Seither hat sich einiges verbessert“, sagt Valet. Die Konsumenten seien aufmerksamer geworden. „Knapp 90 Prozent der Supermarkteier kommen heute aus Boden- oder Freilandhaltung.“ Beim Fleisch scheint dieses Erwachen noch weit entfernt. „Das Beste wären klar definierte, staatliche Siegel“, sagt Valet.

Verschiedene Organisationen haben Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner „Aktionspläne für ehrliche Etiketten“ und detaillierte Gesetzentwürfe vorgelegt. „Vieles muss auf EU-Ebene entschieden werden“, sagt Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Aber das sei ein langer Prozess. In naher Zukunft gebe es wohl keine umfassenden Regelungen. Das würde auch dadurch erschwert, dass so viele verschiedene Segmente betroffen seien. Oft werde auch handwerkliche Tradition suggeriert, obwohl die Ware aus hoch industrialisierten Betrieben stammt. Als prominentes Beispiel gilt die Rügenwalder Mühle.

Vermeintliche Landprodukte sind zu Unrecht teuer

„Speziell mit dem Begriff ,Land’ versuchen viele Firmen, uns zu blenden. Es gibt vermeintliche Landgurken, Landkekse, Rotkäppchen Landrahm ist alles andere als natürlich, sondern voll von Verdickungsmitteln“, sagt Huizinga. Meist wird für so etwas dann auch noch ein völlig überhöhter Preis verlangt.

So auch beim „Landlust“-Tee von Teekanne: Mit knapp vier Euro kostet der bis zu dreimal so viel wie Konkurrenzprodukte. In der Werbung für die Mischung Mirabelle-Birne erklärt der Hersteller: „Entdecken Sie den ursprünglichen Genuss vertrauter Früchte, die noch in Ruhe heranreifen können.“ „Die Mirabellen können tatsächlich in aller Ruhe heranreifen“, gibt Huizinga zu. „Für den Tee werden sie nämlich gar nicht gebraucht. Der enthält nur billigere Zutaten und Aromen.“

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