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Nicolas Sarkozy: "Wir brauchen eine Wirtschaftsregierung"

Frankreichs Premier Sarkozy fordert eine engere Zusammenarbeit Europas in der Finanzkrise - und plädiert für eine Verstaatlichung der wichtigsten Industrien.

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat am Dienstag im Europäischen Parlament vehement für eine stärkere Rolle des Staates in der Wirtschaft plädiert. Um in der Wirtschaftskrise den Ausverkauf europäischer Schlüsselindustrien zu verhindern, sollten künftig nationale Staatsfonds europäisch abgestimmt den ausländischen Spekulanten beim Kauf der wichtigsten Industrien Europas zuvorkommen. Die Eingriffe des Staates in den Markt müssten aber auf Zeiten der Krise und der Gefahr beschränkt sein, sagte Sarkozy. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) lehnte den Vorschlag umgehend ab.

Nach einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung nutzen Staatsfonds aus dem Nahen Osten und Asien die Krise, um sich bei europäischen und US-Unternehmen einzukaufen - so ist etwa Singapur bei der Schweizer Bank UBS eingestiegen und Katar bei der Londoner Börse. "Ich möchte nicht, dass die europäischen Bürger in einigen Monaten aufwachen und entdecken, dass die europäischen Gesellschaften nicht-europäischen Hauptstädten gehören", sagte Sarkozy. In seiner mit langem Beifall bedachten Rede plädierte Sarkozy für eine "Neudimensionierung des Kapitalismus". Es gehe nicht darum, in der Finanzkrise die Marktwirtschaft infrage zu stellen. Die Spekulation auf den Finanzmärkten müsse aber mit neuen Regeln gezähmt werden, sagte der derzeitige Vorsitzende des Europäischen Rats.

Sarkozy forderte klare Korrekturen, um "den Kapitalismus neu aufzustellen". Längst sei aus der Finanzkrise eine Wirtschaftskrise geworden. Es sei doch nicht einzusehen, dass Europa die Finanzkrise gemeinsam mit Erfolg bekämpfe, in der Wirtschaftskrise die Regierungen aber ihre eigenen Wege gehen und die notwendige Zusammenarbeit verweigern. "Europa hat eine gemeinsame Währung und eine Zentralbank, aber keine gemeinsame Politik," beklagte Sarkozy. "Europa kann nicht ohne Wirtschaftsregierung weitermachen." Wirtschaftsminister Glos kritisierte den Vorschlag: "Der französische Vorschlag, europäische Industrie durch staatliche Beteiligungen vor der Übernahme durch ausländische Staatsfonds zu schützen, widerspricht allen erfolgreichen Grundsätzen unserer Wirtschaftspolitik", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt diese Forderung strikt ab.

Die US-Regierung werde ihre drei großen Autokonzerne mit 25 Milliarden Dollar stützen, gab Sarkozy zu bedenken. Man dürfe die europäische Autoindustrie nicht in einer Situation im Stich lassen, in der die USA den Wettbewerb verzerrten. Durch Anreize für den Kauf umweltfreundlicherer Autos könnten die Regierungen den europäischen Markt stützten. "Ich will die europäische Autoindustrie verteidigen," sagte Sarkozy. Kanzlerin Merkel lässt derzeit gezielte Hilfen zur Belebung der Konjunktur in Deutschland prüfen - darunter auch Steuervorteile beim Kauf emissionsarmer Autos. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält es jedoch für zweifelhaft, dass solche Programme die deutsche Industrie stützen. Zum einen hielten sich Autokäufer in Erwartung der Steuervorteile jetzt zurück. Zum anderen würden von 100 in Deutschland verkauften Autos 55 gar nicht hier gebaut. Schließlich könne man nicht ausschließen, dass deutsche Autobauer, die tendenziell Premiumfahrzeuge mit höherem Verbrauch anböten, zusätzlich benachteiligt würden.

Auch die Industrie lehnt groß angelegte Konjunkturprogramme ab: Wenn ein Abschmieren der Konjunktur verhindert werden solle, dann könne dies "nur durch ein nachhaltig wirkendes Investitionsprogramm" bewirkt werden, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf.

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