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Ein langer Weg. Der Staat sucht nach Wegen, die marode Infrastruktur zu finanzieren - und neue zu schaffen.

© dpa

Wirtschaftsexperten fordern: Bürger sollen bei Infrastruktur-Projekten mitverdienen

Marode Straßen, bröckelnde Brücken: Wie kann der Investitionsstau aufgelöst werden? Geld ist genug da, stellen Ökonomen fest. Attraktive Modelle für Investoren hingegen fehlen.

Zinssparen mit Autobahnen statt Mini-Renditen bei Lebensversicherungen: Bürger sollen sich künftig an der Finanzierung großer Infrastruktur-Projekte beteiligen und so bessere Erträge erzielen können.

Diese Idee gehört zu einem Zehn-Punkte-Plan einer Expertenkommission, die im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Vorschläge erarbeitet hat, wie der Investitionsstau von 90 bis 100 Milliarden Euro rasch aufgelöst werden kann. „Deutschland weist heute eine signifikante Investitionsschwäche auf, sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich“, sagte Kommissionschef Marcel Fratzscher am Montag in Berlin.

Finanzwirtschaft sucht nach neuen Anlageformen

Die Experten wollen vor allem Regeln lockern, damit große Versicherungskonzerne und Pensionsfonds beim Bau von Straßen, Brücken oder Verwaltungsgebäuden mitmachen. „Es gibt wahrscheinliche keine bessere Partnerschaft“, sagte der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen.

Die Finanzwirtschaft sucht wegen der Mini-Zinsen an den Märkten händeringend nach neuen Geldanlagen, um ihre Kunden bei der Stange zu halten. Eine komplette Privatisierung von Bundesstraßen und Autobahnen lehnt die Kommission jedoch ab.

Autobahnen aus Betriebsrenten

Die Verbraucher sollen von Milliarden-Investitionen vor ihrer Haustür direkt profitieren können. Fratzscher - Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) - meinte, die Politik solle Bürgerfonds prüfen, in die Arbeitnehmer etwa über die vom Arbeitgeber mitgeförderten vermögenswirksamen Leistungen investieren könnten. Vergleichbare Energiewende-Fonds waren beim Ausbau der Stromnetze in der Praxis aber gescheitert.

In der 21-köpfigen Gruppe gab es auch viel Streit. Die Gewerkschaften kritisierten in einer abweichenden Stellungnahme, dass der Sparkurs sowie frühere Steuersenkungen zu Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen von jährlich 45 Milliarden Euro geführt und damit die Investitionslücke maßgeblich verursacht hätten.

„Das Ergebnis ist verheerend: Öffentliche Ausgaben wurden gekürzt, viele öffentliche Dienstleistungen sind dem Rotstift zum Opfer gefallen oder wurden privatisiert.“ DGB-Chef Reiner Hoffmann forderte eine kreditfinanzierte Investitionsoffensive. Das sei eine historische Chance, um die öffentliche Infrastruktur zum Nulltarif zu modernisieren.

Was übrig bleibt, ist völlig unklar

Wirtschaftsminister und SPD-Chef Gabriel lobte trotz der internen Reibereien die Arbeit der Kommission: „Zum ersten Mal liegt jetzt eine umfangreiche Bestandsaufnahme zum aktuellen Bedarf an privaten und öffentlichen Investitionen in Deutschland vor, die von einem breiten Konsens getragen ist.“

Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Vorschläge mit großer Offenheit prüfen. Was davon noch vor der Wahl 2017 umgesetzt wird, ist aber ungewiss. (dpa)

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