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Wirtschaftskraft: Der Osten holt den Westen ein

20 Jahre nach dem Sturz der Mauer hinkt die ostdeutsche Wirtschaft weiter hinter. Dennoch ging die ökonomische Aufholjagd schneller als gedacht.

Berlin - In gut einem Jahrzehnt könnten die neuen Länder zum Westen aufschließen. 2020 könne die Wirtschaftskraft pro Kopf 70 bis 80 Prozent des Westniveaus erreichen und mit Ländern wie Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein gleichziehen. Diese Berechnung stellte das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Dienstag in Berlin vor. „Der Aufholprozess verläuft weiß Gott nicht so schleppend, wie oft behauptet“, befand IW-Direktor Michael Hüther. Dies liege vor allem an der Industrie, die sich zwischen Ostsee und Erzgebirge zum Wachstumstreiber entwickelt habe.

Gestartet waren die neuen Länder auf einem extrem niedrigen Niveau: Als Folge der Eingliederung in die Weltwirtschaft war die ehemalige DDR-Wirtschaft nach 1989 dramatisch eingebrochen, weil sie nicht konkurrenzfähig war. 1991 lag daher die Wirtschaftsleistung pro Einwohner nur bei einem Drittel des Westniveaus. 2008 waren es knapp 70 Prozent.

Es sei aber wenig realistisch, zu hoffen, dass der Osten in absehbarer Zeit vollständig zum Westen aufschließt, erklärte das IW. Dazu fehlten schlicht die Wirtschaftszentren – wie im Westen Frankfurt am Main oder München. Von Berlin gehe keine Strahlkraft aus, die Hauptstadt rangiere in Sachen Wachstum in den vergangenen Jahren bundesweit ganz hinten.

Auch mangele es den neuen Ländern an techniklastiger Industrie und wissensintensiven Dienstleistungen. Allerdings seien regionale Unterschiede im Westen normal – so liege Hessen bei der Wirtschaftskraft 40 Prozent vor Schleswig-Holstein. Schließlich sei die demografische Entwicklung ein Problem – die Abwanderung aus viele Regionen senke deren Attraktivität für Wissenschaftler, Führungskräfte und Ärzte. „Man wird sich von der Lebenslüge trennen müssen, dass es irgendwann überall in der Bundesrepublik das gleiche Entwicklungsniveau geben muss“, heißt es in der IW-Expertise.

Gleichwohl sei die Entwicklung der Industrie beachtlich. Ein Fünftel der Wertschöpfung entfalle auf das verarbeitende Gewerbe, das sei mehr als in den USA oder Frankreich, sagte Hüther. Am schnellsten habe Thüringen hier zugelegt, gefolgt von Brandenburg und Sachsen.

Angesichts der Erfolge beim Aufbau Ost sieht das IW keinen Grund, die neuen Länder weiterhin gesondert zu fördern. Es genüge eine „Regionalpolitik ohne Ausrichtung an die Himmelsrichtung“. Der Solidarpakt II solle wie geplant 2019 auslaufen, eine Verlängerung sei unnötig. Und der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent auf die Einkommensteuerschuld solle die Koalition 2011 abschaffen, forderte Hüther. Carsten Brönstrup

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