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Wirtschaftspolitik: Wolfgang Clement: Ansichten eines Superministers

Er hat die SPD verlassen. Jetzt spricht er bei der CDU: über die Rezession, Reformpolitik und Atomkraft. Und Wolfgang Clement bekommt Applaus.

Dass er hier auftritt, ist eine Provokation. Fast vier Jahrzehnte war er SPD-Mitglied, hat in seiner Partei fast alles erreicht, was zu erreichen ist, und jetzt brandet ihm auf einer CDU-Veranstaltung im Reichstagsrestaurant Applaus entgegen. Es ist eine von langer Hand geplante Bösartigkeit, schon vor Monaten hat er zugesagt – sein Parteiaustritt liegt erst zwei Wochen zurück.

Der Vorlauf zeigt, dass er und die SPD sich schon lange fremd waren. Und doch kann er nicht von ihr lassen. „Meine Partei, die SPD“, sagt er einige Male, stutzt und schiebt dann nach: „meine bisherige Partei.“ Doch während die CDU applaudiert, schwindet die Distanz zur SPD: „Mein Verständnis als Sozialdemokrat ist ein sehr einfaches: Wir müssen die Menschen in die Lage versetzen, ihr Leben aus eigener Kraft zu gestalten“, sagt er am Ende auf die Frage eines Zuhörers.

Der CDU-Wirtschaftsrat hat seine Mitglieder zum opulenten Frühstück geladen, durch die Fensterfront ist das Panorama von Berlin-Mitte zu sehen. Clement redet wie zu seinen besten Zeiten als Superminister für Wirtschaft und Arbeit, als er auf alle Probleme eine Antwort hatte. Die Agenda 2010, die er gemeinsam mit Gerhard Schröder und Frank- Walter Steinmeier verantwortet hat, sieht er als Anfang. „Deutschland braucht einen Umbau von Kopf bis Fuß.“ Und was nicht alles dazu gehört: ein „New Deal“ für das Ruhrgebiet, die Atomkraft und das CO2-freie Kohlekraftwerk, eine höhere Geburtenrate, ein neues Zuwanderungsrecht.

Selbstverständlich weiß er auch, was gegen die Rezession zu tun ist. „Wenn nicht wir, wer soll die Krise eigentlich überstehen?“, fragt er. Nur handle die Bundesregierung „erstaunlich zögerlich“. Es bedürfe keines Nachweises mehr, wie schlimm die Krise sei. Nötig seien Investitionen in die Infrastruktur von mindestens 25 bis 30 Milliarden Euro. Die Rezession sei global, darum müsse auch die Antwort global sein. Deutschland solle in Europa den Ton angeben und sich am chinesischen Konjunkturprogramm ein Vorbild nehmen.

Da ist ausgerechnet er für einen Moment ganz nah bei der Linkspartei, deren Fraktionschef Gregor Gysi genau dasselbe gefordert hat. Und dazu passt auch der Stolz, mit dem Clement berichtet, wie ihn Wolf Biermann angerufen habe, um ihm „von Abweichler zu Abweichler“ Mut zuzusprechen. Er will halt geliebt werden, und das wird er auch hier beim Wirtschaftsrat der CDU. Die versammelten Unternehmer nicken sich zustimmend zu, während Clement spricht.

Claus-Peter Martens vom Bundesvorstand des Wirtschaftsrats lobt dessen Rede. Umfassend und brillant sei sie gewesen, und er habe nur eine Bitte: „Wenn die große Koalition fortgesetzt wird, müssen Sie als Minister für Wirtschaft und Arbeit zurückkommen“, sagt der CDU- Mann. „Was ich wirklich schade finde, ist, dass Sie nicht mehr Mitglied der SPD sind.“

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