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Wirtschaftsstandort Adlershof - ein Vorbild für die Region?

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Wirtschaftsstandort: Die Hauptstadtregion hängt den Osten ab

Eine Studie prophezeit Berlin und Brandenburg zehntausende neue Jobs – wenn die Politik voll auf Bildung setzt. Stärkstes Wachstumszentrum könnte Potsdam werden.

Nach oben ist noch immer eine Menge Luft. Die Arbeitslosenquote Berlins ist so hoch wie in keinem anderen Bundesland, das Wirtschaftswachstum trotz aller Erfolgsmeldungen immer noch mau und der Geldmangel des Senats ohnehin chronisch. Berlin, das ist trotz des mittlerweile kräftigen Aufschwungs noch immer die Hauptstadt der Probleme. Ein Bürger Hamburgs erwirtschaftet deshalb statistisch gesehen doppelt so viel wie ein Berliner.

Das Bild könnte sich im kommenden Jahrzehnt deutlich wandeln. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Hauptstadt und in ihrem Speckgürtel wird bis 2020 deutlich steigen. Ein Plus von knapp zwei Prozent ist in Berlin drin, in einigen angrenzenden Regionen wie etwa dem Landkreis Dahme-Spreewald wird es sogar bei mehr als sechs Prozent liegen. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC), die dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt.

Als stärkstes Wachstumszentrum der Region wird sich aber mehr und mehr Potsdam etablieren: Um fast ein Fünftel wird die Zahl der Erwerbstätigen zunehmen – damit liegt Brandenburgs Landeshauptstadt bundesweit bei der Dynamik des Arbeitsmarktes in der Spitzengruppe.

Zugleich werden abgelegene ländliche Regionen zunehmend abgehängt: Im Landkreis Elbe-Elster wird es in zehn Jahren mehr als 18 Prozent weniger Erwerbstätige geben, im Kreis Spree-Neiße sogar gut 29 Prozent weniger. Kurz: Die Städte gewinnen, die Provinz rutscht ab. Insgesamt dürfte die Hauptstadtregion aber zu den Gewinnern gehören. „Berlin-Brandenburg steht besser da als der Rest Ostdeutschlands“, urteilt PwC-Vorstand Wolfgang Wagner. Bundesweit, so haben es seine Experten errechnet, wird jeder dritte Landkreis Erwerbstätige einbüßen.

Die Expertise seines Hauses reiht sich ein in einen Reigen überaus optimistischer Stimmen zur Lage der Region und ihrer Zukunft. Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zufolge ist die Hauptstadt im Schnitt der vergangenen fünf Jahre stärker gewachsen als jedes andere Bundesland. Die Erwerbstätigkeit stieg dreimal so stark wie im Rest der Republik. Der Trend könnte anhalten: Das Wirtschaftsinstitut Prognos erwartet für die nächsten Dekaden ein Plus von 170 000 Arbeitsplätzen, die Beratungsfirma McKinsey gar von 500 000.

Allerdings ist der Aufschwung kein Selbstläufer, warnen die PwC-Leute. „Für eine gute Entwicklung in den kommenden Jahren muss die Politik mehr in Bildung investieren, auch in Zeiten knapper Kassen“, sagt Vorstand Wagner. Es gelte vor allem, mehr hoch qualifizierte Beschäftigte an Spree und Havel zu locken. „Sie bringen Attraktivität und Dynamik in einen Wirtschaftsraum und wirken wie ein Hebel auf die gesamte Erwerbstätigenzahl einer Region.“ Selbst die Folgen des demografischen Wandels würde es abmildern, würden mehr Fachleute einen Job in der Hauptstadtregion antreten. Gelingt das nicht und bleiben die Bildungsausgaben auf dem jetzigen Niveau stecken, wird sich der Arbeitsmarkt weitaus weniger rosig entwickeln. In Berlin wird dann der PwC-Studie zufolge die Zahl der Erwerbstätigen bis 2020 zwar immer noch um 1,3 Prozent steigen. Der Fläche droht in diesem Szenario aber ein Desaster: Gut 16 Prozent seiner Erwerbstätigen verlöre die Uckermark, 20 Prozent der Landkreis Elbe-Elster, im Kreis Spree-Neiße wären es gar 32 Prozent. „Wenn nichts geschieht und die Ausgabenstruktur des Staates so bleibt wie jetzt, wird es vor allem in grenznahen Regionen massive Probleme geben“, warnt Wagner.

Er empfiehlt der Politik, auf ausgewählte Wachstumsfelder zu setzen, auf Branchen also, die sich viel versprechend entwickeln. Unternehmen und Forschungseinrichtungen müssten ihre Kräfte bündeln. „Firmengründer siedeln sich nicht dort an, wo die Gewerbesteuersätze besonders niedrig sind, sondern wo es die besten Netzwerke gibt.“ Den Standort Adlershof, wo sich unweit des künftigen Großflughafens BBI aus einem Forschungszentrum eine Gründerstadt entwickelt hat, nennt er als Vorbild. Solche Konzepte müsse es auch für andere Branchen geben, findet er.

Auf diese Strategie setzt die Wirtschaftspolitik des rot-roten Senats – sie fördert Bereiche wie Wissenschaft, Gesundheit und Kreativwirtschaft. Das funktioniert, wie die Zahlen zeigen: In den vergangenen Jahren konnte Berlin seinen Rückstand bei Ingenieuren, Naturwissenschaftlern, EDV-Experten und Wirtschaftsprüfern gegenüber dem Bundesschnitt verringern. Der allgemeine Trend spielt den Berlinern in die Hände: Seit Jahren verlieren Industrie, Bau und Landwirtschaft an Bedeutung, Dienstleistungen aller Art dagegen boomen. Der Niedergang der einst stolzen Berliner Industrie fällt mithin immer weniger ins Gewicht.

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