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Wirtschaft: Zu Hause bei den Mohns

Eine nicht autorisierte Biografie über die Bertelsmann-Familie trifft den Nerv des Medienkonzerns

Berlin. Nervös waren sie bei Bertelsmann in den vergangenen Wochen. Die Ursache liegt seit diesem Montag in den Buchhandlungen: Eine Biographie des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn und seiner Frau Liz. Der Medienjournalist Thomas Schuler hat sie geschrieben, und es ist das erste Porträt der Mohns, das von Bertelsmann nicht vor dem Erscheinen gelesen und autorisiert wurde. Ein unkalkulierbares Risiko also für die PR-Abteilung des Unternehmens, die bis heute das öffentliche Bild der Gründer-Familie nur mit fein dosierten Informationen gezeichnet hat.

Ein Bild, das ein Ausnahme-Unternehmen zeigt: Bertelsmann ist ein wertkonservativer Medienkonzern, der – trotz Milliardenumsätzen mit RTL, Gruner + Jahr, den Buchclubs oder Random House – dem Gemeinwohl und seinen Mitarbeitern mehr verpflichtet ist als der Maximierung des Gewinns. Reinhard, Liz und ihre Kinder, so die offizielle Lesart, wachen gemeinsam über dieses Erbe. Und die Mohns sind vor allem eines: untadelige, gute Menschen.

Dass dieses Bild durch zahlreiche Berichte und Legenden um die wahren Verhältnisse in Gütersloh Risse hat, ist bekannt. Spätestens seit dem Machtkampf um die Führung des Konzerns und den Rauswurf von Vorstandschef Thomas Middelhoff weiß alle Welt, dass es bei Bertelsmann genauso rau zugehen kann wie in anderen Weltkonzernen. Thomas Schulers Buch will diese Erkenntnis vertiefen. Seine Recherchen zielen dabei auf das Persönliche, auf die menschlichen, allzu menschlichen familiären Hintergründe bei Bertelsmann. Schuler zeigt, wie aus einem westfälischen Provinzbuchhändler ein Weltkonzern wurde - und wie das Gute, Schöne und Wahre dabei auf der Strecke blieben. Eine Homestory über den spröden Reinhard und die mächtige Liz Mohn? Zu Hause bei Bertelsmann?

Schuler gewährt einen Blick auf das Mohnsche Privatleben, der einer breiten Öffentlichkeit bisher verwehrt war. Erhellend sind vor allem seine Begegnungen mit den „Vergessenen“ im Mohn-Kosmos – mit Reinhard Mohns erster Ehefrau Magdalene und mit seinem Sohn Andreas. Sie zeigen zum ersten Mal in dieser Ausführlichkeit, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in der Mohn-Familie auseinander fallen können. Und sie werfen ein neues Licht auf die Personalpolitik bei Bertelsmann, mit der Vorstandskarrieren wie etwa die von Manfred Köhnlechner, Mark Wössner oder Thomas Middelhoff erbarmungslos beendet wurden.

Härte sei die bessere Form der Liebe, hat Mohn seinen Mitarbeitern einmal erklärt. Auch im Privaten hielt er sich offenbar daran: „Unsere Ehe war ein Irrtum“ schrieb er Magdalene, mit der er drei Kinder hatte, nach 30 Ehejahren auf einen Zettel – bevor er verschwand, um Elisabeth („Liz“) Beckmann zu heiraten. Kein Wort habe er nach der Trennung mehr mit ihr geredet, berichtet Magdalene Raßfeld heute. Liz hatte unterdessen als Mohns Sekretärin und langjährige Geliebte nach eigenen Aussagen „die feste Absicht, aus meinem Leben etwas zu machen“. In ihrem hochmoralischen autobiographischen Buch „Liebe öffnet Herzen“ verlor sie später kein Wort darüber, dass sie mit dem verheirateten Reinhard ebenfalls drei Kinder hatte und sich fast 20 Jahre lang hinter der Fassade einer Scheinehe mit einem Schulbuchlektor versteckt hielt.

Mit neuen Enthüllungen darf der Leser aber nicht rechnen. Zumal sich im Falle der Mohns das Objekt der Begierde jeglichem Gespräch oder Interview darüber verweigert. Schuler hat mit Reinhard und Liz Mohn nicht sprechen können. Der Autor musste sich deshalb auf Interviews, auf die Firmenchronik, den Bericht einer Historikerkommission und auf Gespräche mit Familienangehörigen, Managern und Eingeweihten stützen. Brisant Neues ist dabei insgesamt nicht herausgekommen. Schwach fallen auch der Ausblick und die Analyse der Gegenwart aus. Der Autor selbst spricht von einer „neuen Zusammenschau" weithin bekannter Tatsachen.

Dass Schuler dennoch einen Nerv der Mohns und des Medienkonzerns Bertelsmann getroffen hat, zeigte sich vergangenen Dienstag in Gütersloh. Dort war der Titel auf Verlangen des örtlichen Buchhandels vorzeitig ausgeliefert worden. Liz Mohn lud einige Lokaljournalisten kurzfristig in ihr Privathaus zum Hintergrundgespräch. Sie ärgere sich über die Veröffentlichung, gab sie zu Protokoll, wolle aber von juristischen Schritten absehen. Gelesen habe sie das Buch im Übrigen nicht.

Thomas Schuler, „Die Mohns – Vom Provinzbuchhändler zum Weltkonzern: Die Familie hinter Bertelsmann“, Campus Verlag, 372 Seiten, 21,90 Euro.

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