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Besonders Kleinkinder sind auf langen Zugfahrten schnell gelangweilt.

© imago/blickwinkel

Zugfahren mit Kindern: „Mama, wann sind wir endlich da?“

Zugfahren mit dem Nachwuchs ist nervenaufreibend. Ein Erfahrungsbericht über das dürftige Angebot für Familien bei der Bahn.

Menschenmassen mit riesigen Gepäckstücken, Gedrängel, Ungeduld und Nörgelei allerorten: Wie oft habe ich sie verflucht, die Bahnreise kurz vor Weihnachten zu meiner Familie in Süddeutschland. Die Zugfahrt von Berlin dauert von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof ohne Verzögerungen mindestens sechseinhalb Stunden – und die können vor allem mit Kleinkindern im Schlepptau verdammt lang werden.

Dabei heißt es auf der Homepage des Unternehmens doch so schön: „Die Bahn ist eine der besten Reisemöglichkeiten, um Deutschlands Regionen mit Ihrer Familie zu erkunden.“ Der Satz klingt nach Entspannung und Abenteuer im Kreise seiner Lieben – aber die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Um es auf den Punkt zu bringen: Bahnreisen sind zumindest mit Nachwuchs im Kindergartenalter nervenaufreibend, anstrengend und stressig.

Kinder fahren kostenlos mit - aber Kinderabteile gibt es wenige

„Mama, wann sind wir endlich da?“ Jedes Mal, wenn mein Sohn mir schon nach kurzer Zeit im Zug den Klassiker aller Reisefragen entgegenwirft, bin ich aufs Neue überrascht, wie wenig die Bahn unternimmt, um die Langeweile ihrer kleinen Kunden zu überbrücken und ihre Eltern wenigstens ein Stück weit zu entlasten. Ja, Kinder und Jugendliche fahren bei der Deutschen Bahn in Begleitung ihrer Eltern oder Großeltern bis zu ihrem 15. Geburtstag kostenlos. Alleinreisende Kinder von sechs bis 14 Jahren erhalten 50 Prozent Rabatt auf den Normal- und Sparpreis.

Dafür sieht es bei der familienfreundlichen Infrastruktur mau aus. Die Misere fängt schon bei den Sitzverhältnissen an: In Fernverkehrszügen hält die Bahn vor allem Plätze für Erwachsene vor. Zwar gibt es für Kleinkinder im neuen Intercity 2 und nahezu allen ICE-Zügen ein separates Abteil, das sich direkt neben den Eingangstüren befindet und etwas mehr Raum für Gepäck, Abstellplätze für Kinderwagen sowie fünf Sitzplätze am Tisch bietet.

Besonders einladend oder kinderfreundlich waren die Kleinkindabteile aber bislang nicht. Zumindest in diesem Punkt schafft die Bahn jetzt Abhilfe: Ab Mitte Dezember soll es dort auch Wandspiele und Tische mit Wimmelbildern geben. Die Kosmetik an der Inneneinrichtung löst aber nicht ein grundsätzliches Problem: Wer im Kleinkindabteil reisen möchte, muss im Voraus Plätze reservieren. Und das gelingt leider nur selten – besonders auf stark frequentierten Strecken sind die begehrten Abteile oft bereits Monate vor Reiseantritt ausgebucht. Wer spontan mit seinem Kind und der Eisenbahn verreisen möchte und keine Reservierung hat, muss also zwangsläufig bei den Erwachsenen Platz nehmen.

Auch an Unterhaltungsmöglichkeiten mangelt es

Neben der eher spärlichen Infrastruktur für Kinder mangelt es in den Zügen der Bahn aber auch an Unterhaltungsmöglichkeiten. Mit etwas Glück beschäftigt sich der Nachwuchs auf seinem Platz im Abteil oder Großraum vielleicht eine Weile mit dem Plastikzug „Der kleine ICE“, blättert im Kindermagazin „Leselok“ oder stürzt sich auf das Malbuch und die Holzstifte, die die Bahn zwar kostenlos, aber auch in schlechter Qualität in ihren Speisewagen bereithält. Dort gibt es auch das Kindermenü mit Überraschungsspielzeug zum Preis von 6,90 Euro.

Dabei weiß man bei der Bahn durchaus, dass es sehr viel nachhaltigere Modelle gibt, um Kinder besonders auf langen Zugfahrten bei Laune zu halten. So bietet das Unternehmen während der Sommerferien jeweils samstags und sonntags auf besonders stark von Familien genutzten Strecken eine Kinderbetreuung mit zwei pädagogisch und für Notfälle geschulten Begleitern an. Der kostenlose Service, der zum Beispiel zwischen Berlin und Frankfurt am Main oder Köln und Freiburg angeboten wird, reicht vom Kinderschminken über Basteln bis zum Vorlesen.

Dass Familien das Angebot derzeit nur in der Hauptferienzeit nutzen können, begründet die Bahn unter anderem mit der stark variierenden Nachfrage und den Kosten. So reisten Familien vor allem in den Ferien und am Samstag mit dem Zug, während Geschäftsleute und Pendler tendenziell eher in der Woche mit der Eisenbahn unterwegs seien, heißt es bei der Bahn. Zudem nutze das Unternehmen seit Jahr und Tag ein Reservierungssystem, das die Umwidmung bestimmter Zugbereiche für spezielle Zielgruppen ausschließe.

Künftig gibt es Familienbereiche im Zug

„Wir wollen das ändern, aber es ist technisch mit sehr hohem Aufwand verbunden“, sagt Produktmanagerin Cornelia Gaumann. Sie entwickelt für die Bahn kinder- und familienfreundliche Konzepte.

Ein Ergebnis ihrer Arbeit sind die neuen „Familienbereiche“, die Reisenden mit Kindern ab diesem Samstag in den Fernreisezügen der Bahn zur Verfügung stehen. Die Mitglieder verschiedener Familien sollen an insgesamt 24 Abteil- und Tischplätzen in unmittelbarer Nähe zu Gepäckfächern und Toiletten auf der Zugfahrt miteinander ins Gespräch kommen und dürfen „auch mal laut sein, ohne dass sich Mitreisende belästigt fühlen“. So heißt es in einer Mitteilung der Bahn. Das Unternehmen hatte in einer Umfrage und einem daraus entwickelten Pilotprojekt herausgefunden, dass Eltern mit Kindern gern in Begleitung anderer Familien reisen.

Der Gepäckservice macht die Fahrt entspannter

Wer als Mutter oder Vater allein mit einem Baby oder Kleinkind unterwegs ist, sollte unbedingt auf den Gepäck- und Mobilitätsservice der Deutschen Bahn zurückgreifen. Das Unternehmen holt Koffer und Taschen vor der Reise zu Hause ab und liefert sie in Kooperation mit Hermes in Deutschland, Österreich, Italien, Südtirol und der Schweiz zur Wunschadresse. Der Preis für die Dienstleistung richtet sich nach der Größe des Gepäckstücks und der Entfernung des Reiseziels.

Der Mobilitätsservice der Bahn unterstützt Eltern mit Babys zum Beispiel beim Ein- und Aussteigen. Diese Dienstleistung bietet die Bahn an allen größeren Fernverkehrsbahnhöfen kostenlos an. Wer den Service nutzen möchte, sollte sich 24 Stunden vor der Reise telefonisch oder per E-Mail anmelden.

Unsere weihnachtliche Großreise mit der Bahn wird in diesem Jahr trotz all dieser Angebote ausfallen: Nach all den negativen Erfahrungen der Vergangenheit fliegen wir diesmal zu unseren Lieben nach Süddeutschland. Die Reise ist teurer und dauert ungefähr gleichlang wie die Fahrt mit dem Zug. Aber sie schont unsere Nerven. Hoffentlich.

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