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Der offene Zugang zu wissenschaftlicher Literatur ist das Ziel der Open-Access-Bewegung.

© dpa/Daniel Bockwoldt

20 Jahre Open Access: Wie Berlin das offene Publizieren prägte

Am Montag beginnt die internationale Aktionswoche für den offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen. Eine Einordnung zu zwanzig Jahren Open Access.

Ein Gastbeitrag von
  • Heinz Pampel
  • Maxi Kindling

Zwanzig Jahre ist es her: Am 22. Oktober 2003 trafen sich die Leitungen der großen Wissenschaftsorganisationen aus Deutschland und aller Welt im Harnack-Haus in Berlin-Dahlem. Dort unterzeichneten sie die „Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“.

Dieses als „Berlin Declaration“ bekannte Dokument beschreibt die Vision des offenen Zugangs zu den Ergebnissen öffentlich geförderter Forschung, zusammengefasst als „Open Access“. Bis heute haben über 780 Forschungseinrichtungen weltweit die Erklärung unterzeichnet.

Eine Reaktion auf die Zeitschriftenkrise

Denn auch wenn Forschung öffentlich finanziert wurde, ist sie längst nicht immer öffentlich zugänglich gewesen. Seit Jahrzehnten publizieren Forschende ihre Aufsätze in Fachzeitschriften, die Verlage anschließend hinter Bezahlschranken verbergen. So konnte nur ein kleiner Zirkel die Ergebnisse lesen: Unis und Forschungsinstitute abonnierten die Journale für ihre Mitarbeitenden.

Diese Kosten für Abonnements stiegen aber so stark, dass sie das akademische Bibliothekswesen in eine Krise führten, die bis heute anhält. Doch dank des Internets, engagierten Forschenden, ihren Einrichtungen und Bibliotheken werden heute etwa 63 bis 73 Prozent der Fachartikel in Deutschland frei, also ohne Zugriffsbeschränkungen, publiziert.

So können Forschende, aber auch interessierte Bürgerinnen, Politikerinnen oder die Startup-Szene auf Forschungsergebnisse kostenfrei zugreifen und diese auch nachnutzen.

63-73
Prozent der Fachartikel erscheinen in Deutschland frei

Das Jubiläum der Berliner Erklärung fällt mit der internationalen Open Access Week zusammen, die derzeit auch in Berlin stattfindet. In dieser Aktionswoche werden an zahlreichen Hochschulen und Laboren Aktionen zu Open Access veranstaltet, beispielsweise an der Humboldt-Universität.

Gemeinschaft statt Kommerz

Das Motto der Aktionswoche lautet in diesem Jahr „Community over Commercialization“. Es betont damit das Potenzial von Initiativen zum Publizieren, die die Wissenschaft gemeinschaftlich trägt – jenseits der Konzernverlage. Damit trifft die Forderung den Kern vieler Diskussionen um Open Access im Jahr 2023.

Denn die Kommerzialisierung und Monopolisierung der Verlagslandschaft fordern die Wissenschaft seit langer Zeit heraus. Auch haben sich die großen Wissenschaftsverlage inzwischen zu „Data Analytics“-Unternehmen gewandelt. Sie erfassen und verwerten Informationen über Forschungsleistungen und Nutzungsverhalten in einem nie dagewesenen Umfang.

Der Grundsatz der Aktionswoche erinnert daran, dass Open Access eine Strategie zur Stärkung der digitalen Souveränität in der Wissenschaft ist, deren Potenzial in der Kooperation der wissenschaftlichen Gemeinschaft liegt.

Ein Blick auf die Geschichte der Open-Access-Bewegung zeigt, dass wegweisende Initiativen durch Zusammenarbeit entstanden. Ein Beispiel ist das DEAL-Projekt der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, das deutschlandweite Verträge zu Open Access unter der Bedingung einer transparenten Bepreisung zwischen Wissenschaft und Verlagswelt aushandelt.

Ohne die ausgeprägte Kooperationsfähigkeit von Hochschulen, außeruniversitären Einrichtungen sowie den Dialog mit internationalen Partnern hätte diese Initiative zur Open-Access-Transformation keinen Erfolg gehabt.

Berliner Open Access

Einen kooperativen Ansatz haben auch die Partnerinnen der Berlin University Alliance gewählt, die jüngst den Start des gemeinsamen Open-Access-Verlags „Berlin Universities Publishing“ (BerlinUP) bekannt gaben.

Der Verlag, der von den Bibliotheken der vier BUA-Einrichtungen getragen wird, soll ein Gegengewicht zu gewinnorientierten Verlagen schaffen und für Forschende ein attraktiver Publikationsort werden. Damit wurde eine Idee realisiert, die bereits in der 2015 vom Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedeten Open-Access-Strategie adressiert wird.

Tatsächlich setzen die Wissenschaftseinrichtungen der Stadt diese Strategie erfolgreich um. Unterstützt werden sie dabei von dem vom Senat finanzierten Open-Access-Büro Berlin.

Das Büro wurde 2016 als erstes seiner Art in einem Bundesland eingesetzt und fördert die Vernetzung der Community zu wichtigen Fragen des freien Zugangs. Andere Länder folgten, wie etwa Brandenburg mit einem Vernetzungsbüro.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit in Berlin wurde jüngst bei den „Open-Access-Tagen“ sichtbar. Die Konferenz an der Freien Universität wurde vom Open-Access-Büro gemeinsam mit 14 Berliner Universitäten, Hochschulen und der Charité veranstaltet.

Die Beiträge der Konferenz zeigten die Vielfalt der Aktivitäten rund um den offenen Zugang von wissenschaftlichen Publikationen, aber auch von digitalen Objekten aus den Bereichen der Künste und des Kulturerbes.

Zwanzig Jahre später

In den zwei Jahrzehnten nach der Unterzeichnung der Berliner Erklärung hat sich die Diskussion weiterentwickelt. Nun steht nicht mehr nur die Zugänglichkeit der Literatur, sondern die Gestaltung einer offenen Wissenschaft („Open Science“) im Fokus. Die Notwendigkeit eines offenen und schnellen Austauschs von Daten zur Lösung drängender Forschungsfragen hat die Covid-19-Pandemie zuletzt deutlich gemacht.

So publizieren Forschende zunehmend Datensätze und Software „so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“. Mit einer Empfehlung der Unesco zur offenen Wissenschaft haben sich 193 Länder zu Open Science bekannt.

Diese Strategie wird in Deutschland etwa durch die Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt, die sich im letzten Jahr mit einer Open Science Policy zur Förderung der offenen Wissenschaft positioniert hat. Auch in der BUA ist ein gemeinsames Leitbild in Arbeit.

Auf Landesebene wird jetzt durch eine Arbeitsgruppe, in der die Berliner Wissenschafts- und Kulturerbeeinrichtungen vertreten sind, eine Strategie für Open Research erarbeitet, die die bereits 2021 im Berliner Hochschulgesetz formulierten Ziele der offenen Wissenschaft vorantreiben soll.

Im Mai befasste sich der EU-Rat mit der Zukunft des Publizierens betonte die Bedeutung eines „offenen, fairen und nachhaltigen“ Publikationssystems, das Vielfalt und Gerechtigkeit beim Publizieren auszeichnet, das gemeinnützig und gebührenfrei ist.

Zur Umsetzung dieser Empfehlungen müssen Forschende und ihre Einrichtungen, Bibliotheken und Förderorganisationen eng kooperieren. Auch der Politik muss Rahmenbedingungen für das wissenschaftsgeleitete und nachhaltige Publizieren schaffen. Nur gemeinsam kann die Vision der Berliner Erklärung realisiert werden.

Hinweis: In einer späteren Version dieses Artikels wurde das Modell der ECDF-Stiftungsprofessur erklärt.

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