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Neues Kunstverständnis: 40.000 Jahre alte Venus begeistert Archäologen

Eine sechs Zentimeter große und aus Elfenbein-Mammut geschnitzte Venus begeistert die Archäologen. Der Fund, der jetzt in Tübingen präsentiert wurde, könnte das bisherige Verständnis von der Entstehung der Kunst in Europa revolutionieren.

Die Venus ist die älteste bislang bekannte Menschenfigur der Welt. Die Figur sei extrem detailliert geschnitzt. "Dieses Stück ist mit Energie geladen und sehr ausdrucksvoll", schwärmt der Archäologe Paul Mellars im Fachblatt Nature.  Auffällig sei die extreme Betonung der Brüste und der Vulva, während Gesicht und Beine kaum ausgearbeitet und stark verkürzt dargestellt seien. Die Darstellung grenze nach heutigen Maßstäben an Pornografie, schreibt Mellars weiter.

Eine winzige Öse an der Stelle des kaum erkennbaren Kopfes zeige, dass die Figur um den Hals getragen wurde. Es handele sich mit großer Sicherheit um einen künstlerischen Ausdruck von Fruchtbarkeit. Aber welchem Zweck genau sie diente, könne derzeit noch niemand sagen. "Ich war nicht da vor 40.000 Jahren, und unterm Strich habe ich keine Ahnung", sagte Archäologe Nicholas Conard bei der Vorstellung in Tübingen.

Bislang waren aus dieser Phase der Altsteinzeit lediglich Darstellungen von Tieren bekannt. Dass die Menschen sich vor 40.000 Jahren, also sogar ganz zu Beginn des sogenannten Aurignacien, schon mit figürlicher Kunst beschäftigten, sei an sich schon völlig unerwartet. "Egal, was wir gefunden hätten: In dieser Lage wäre alles eine Sensation gewesen", sagte Conard.

Nach weit mehr als 100 Jahren Diskussion sei nun sicher, dass schon die ersten modernen Menschen in Europa Figuren geschnitzt hätten, sagte der Archäologie-Professor. Die sogenannte Venus sei im September 2008 bei Ausgrabungen in der Höhle Hohle Fels bei Schelklingen gefunden worden. "Wir alle waren sprachlos", erzählte Conard.

Die Venus habe in sechs Fragmenten etwa 20 Meter vom Höhleneingang entfernt gelegen. Mit Kunstharz seien die Fragmente verbunden worden. Bis auf den linken Arm und die Schulter sei die Figur vollständig erhalten. Das sei ein extrem seltener Glücksfall bei den Grabungen nach Elfenbein-Kunst auf der Schwäbischen Alb. Conard hegt zugleich Hoffnungen, auch die fehlenden Fragmente noch zu finden: Die Venus habe ganz am Rand des im vergangenen Jahr bearbeiteten Ausgrabungsgebiets gelegen. In einem Monat gingen die Grabungen weiter. Dann bestehe die Chance, die fehlenden Fragmente noch zu finden.

Auf der Schwäbischen Alb wurden in den vergangenen 150 Jahren unzählige Elfenbein-Schnitzereien gefunden, darunter das weltweit älteste bekannte Musikinstrument. Conard hält es durchaus für möglich, dass auf der Schwäbischen Alb das erste Kulturvolk der Welt gelebt hat. Auf jeden Fall seien von der Alb wesentliche Impulse für die Entwicklung der Musik und der figürlichen Kunst ausgegangen.

Ab September ist die Figur im Stuttgarter Kunstgebäude erstmals öffentlich zu sehen.(sp/dpa)

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