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Geologie: Ab in den Süden - wenn Kontinente wandern

Aufeinandertreffen am Südpol: Hitzeströme im Erdinneren schieben die Kontinente über den Globus

Es klingt traumhaft: In den Süden reisen, ohne sich dabei bewegen zu müssen. Für Europäer und Amerikaner ist der Wunsch schon lange wahr geworden. Nur merkt man davon nichts, denn die Kontinente sind mit einer Geschwindigkeit von drei bis fünf Zentimetern pro Jahr unterwegs. In den nächsten Jahrmillionen kommen so aber einige Kilometer zusammen. Wie die Weltkarte dann aussieht, haben Wissenschaftler vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) berechnet und im Fachblatt „Physics of the Earth and Planetary Interiors“ veröffentlicht.

Derartige Prognosen haben schon mehrere Forscher gewagt. Doch die meisten Modelle waren sehr einfach aufgebaut. Darin schwimmen die Kontinente auf dem flüssigen Erdmantel wie Eisschollen auf einem Teich. Die Wirklichkeit ist komplizierter. Es gibt einen allmählichen Übergang von der festen Erdkruste zum flüssigen Mantel. „Der Gesteinsbrei in der Tiefe fließt etwa dreimal so schnell wie die darauf schwimmenden Festländer“, sagt Mikhail Kaban. Er und sein Team haben ein Computermodell entwickelt, das nicht nur die schmierigen Verhältnisse zwischen Erdkruste und Mantel berücksichtigt. Es beinhaltet auch die unterschiedliche Stärke der einzelnen Hitzeströme, die vom Erdkern in rund 3000 Kilometer Tiefe bis fast an die Oberfläche reichen.

Diese Strömungen, die die Kontinente anschieben, sind geschlossene Kreisläufe. Befeuert werden sie von der gewaltigen Hitze im Erdinneren. Der heiße Gesteinsbrei steigt nach oben, fließt zur Seite, kühlt sich dort ab und sinkt einige 100 Kilometer weiter wieder in die Tiefe.

Bislang dachte man, dass die riesigen Förderbänder stoisch ihre Arbeit verrichten, ungeachtet dessen, was oben auf der Erdoberfläche passiert. Die Berechnungen der Potsdamer Geoforscher zeigen aber, dass die Strömungen von den Kontinenten beeinflusst werden. „Sie wirken wie riesige Kuscheldecken“, sagt Kaban. „Unter den Festländern staut sich die Hitze – und das kann die Strömungen in eine andere Richtung lenken.“

Über Jahrmillionen betrachtet, sind die Hitzewallungen des Erdmantels und die Bewegung der tektonischen Platten ein selbstregulierendes System, an dessen Anfang und Ende jeweils ein Superkontinent steht: Dieser bricht durch den Hitzestau auseinander, die Splitter verteilen sich um den Globus, nähern sich wieder an – und bilden einen neuen Superkontinent.

Solche Rieseninseln hat es in der Erdgeschichte mindestens dreimal gegeben. Die jüngste hieß „Pangäa“ und zerbrach vor 250 Millionen Jahren. Ein vollständiger Zyklus dauere bis zu 700 Millionen Jahre, sagt Kaban. Tatsächlich zeigt sein Computermodell, dass in 100 Millionen Jahren alle Kontinente schnurstracks auf den Südpol zusteuern. „Pangäa Ultima“ soll die Landmasse heißen, die dort in den nächsten 400 Millionen Jahren entsteht.

Bis es soweit ist, wird aber noch einiges passieren. Schon in 20 Millionen Jahren wird Japan an die Landmasse Eurasiens angedockt haben. In 50 Millionen Jahren wird Südamerika, das sich längst von Nordamerika gelöst hat, die Antarktis erreichen. Der Nordkontinent wird noch eine lange Zeit isoliert bleiben, bis er auch nach Süden aufbricht.

„Solche Berechnungen sind erst seit wenigen Jahren möglich, weil sie eine große Computerleistung benötigen“, sagt Kaban. So mussten auch er und sein Team einige Vereinfachungen vornehmen, um ihre Rechner nicht zu überfordern. So haben die Maschinen für die 100-Millionen-Jahre-Prognose nur zwei Monate gebraucht.Ralf Nestler

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