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Die unabhängige Leipziger Hochschulzeitung steht vor Gericht.

© luhze e.V./ Charlotte Paar

Update

Angriff auf die Pressefreiheit: Immobilienkonzern zieht Klage gegen Leipziger Hochschulzeitung zurück

Aufgrund eines Artikels zum Leipziger Wohnungsmarkt ging United Capital gegen luhze e.V. vor. Nach zahlreichen Medienberichten ließ die Firma die Klage fallen.

Blattkritik, Glosse, Dachzeile. All dies sind Fachbegriffe des Journalismus. Über die letzten Jahre hat sich die Meinung verbreitet, jede und jeder könne in die Medienwelt einsteigen. Junge Menschen mit dem Berufsziel Journalist:in finden sich auch tatsächlich wie Sand am Meer. Doch was passiert, wenn niemand diese Menschen ausbildet?

Eigentlich gibt es in Deutschland für diese Ausbildung Journalistenschulen. Da diese aber überrannt oder teuer sind, gehen viele von ihnen Umwege in den Journalismus: Sie machen Praktika, nutzen Summer Schools ihrer Universitäten oder arbeiten zunächst ehrenamtlich für kleinere Magazine.

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In der Studierendenhochburg Leipzig gibt es hierfür unter anderem auch eine unabhängige Hochschulzeitung: die „luhze“. Luhze e.V. ist ein von Journalistikstudierenden gegründeter Verein, der mittlerweile seit über 20 Jahren eine eigene Zeitung herausgibt. Jegliche Kosten werden dabei durch Mitgliederbeiträge und Spenden getragen.

Die „luhze“ bezeichnet sich selbst als Ausbildungsmedium. Der Verein veranstaltet Seminarwochenenden mit ehemaligen Mitgliedern, die nun als Journalist:innen tätig sind, lädt Expert:innen zur Redaktionssitzung ein und veranstaltet monatliche Blattkritiken.

Verfahren wegen Unternehmenspersönlichkeitsrechts

Seit Weihnachten allerdings musste der Verein um das Fortbestehen der Zeitung bangen. Grund hierfür war eine Klage der Immobilienfirma United Capital, die der „luhze“ eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts vorwarf.

Ein solches Recht schützt das Unternehmen vor Aussagen, die zu einem negativen Ruf führen. Im genannten Fall ging es dabei um Aussagen zu den Praktiken der United Capital auf dem Leipziger Wohnungsmarkt.

In einem Artikel in der Dezemberausgabe der Leipziger Hochschulzeitung zitiert diese Mieter:innen aus der Harnackstraße in Leipzig. Die United Capital hatte hier bereits einen Großteil der Wohnungen aufgekauft, um daraus wiederum WG-Zimmer für einen Quadratmeterpreis von 18 Euro an Studierende zu vermieten.

Die betroffenen Mieter:innen gründeten daraufhin eine Initiative, die „luhze“ berichtete über die Verhältnisse. Die United Capital warf der Hochschulzeitung daraufhin vor, sich von den der Mieter:innen nicht distanziert zu haben und mit insgesamt fünf Passagen dem Ruf des Unternehmens zu schaden.

Pressefreiheit als gefährdet gesehen

Der Forderung, die besagten Zitate aus dem Artikel zu streichen und deren Verbreitung zu stoppen, kam die „luhze“ nicht nach. Am Freitag sollte das Landgericht in dem Fall zusammenkommen, doch United Capital ließ eine Stunde vor Verhandlungsbeginn die Klage fallen.

Im Falle eines Urteils für die United Capital wäre das Fortbestehen der Leipziger Hochschulzeitung gefährdet gewesen. Je nachdem wie viele Passagen vom Gericht als zulässig bewertet worden wären, wären Anwaltskosten und ähnliches fällig gewesen.

Durch die Finanzierung auf Spendenbasis verfügt das Medium über wenige Rücklagen. „Egal, wie viel wir am Ende gezahlt hätten, wäre es für uns eine große Summe“, erklärt die „luhze“-Vereinsvorsitzende Luise Mosig, „Selbst wenn nur eine Passage als unzulässig erklärt worden wäre, ist die Existenz unseres Projektes gefährdet“.

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Auch psychisch sei die gesamte Situation für die gesamte Redaktion sehr belastend gewesen. „Wir hangeln uns von Ausgabe zu Ausgabe. Jeder Euro extra ist für uns eine Belastung“. Die Abmahnung erhielt der Verein zwischen Weihnachten und Neujahr, von Beginn an war bestand zwischen beiden Seiten ein ungleiches Machtverhältnis von finanzieller Seite aus.

Als noch gravierender jedoch bezeichneten die Mitglieder des Vereins die Folge für die allgemeine Berichterstattung in der deutschen Presselandschaft. Sobald für kleinere Medien stets die Gefahr einer Klage bestünde, würde die Anzahl der Recherchen zu großen Unternehmen drastisch abnehmen. „Vor allem für kleine Projekte wird es sehr schwierig, Vorwürfe von Dritten zu veröffentlichen“, erklärt Luise Mosig.

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Um auf den geplanten Prozess sowie dessen Folgen für die Pressefreiheit aufmerksam zu machen, startete der Verein im Januar eine groß angelegte Kampagne auf Social Media mit dem Hashtag #luhzeprozess. Unter anderem der Deutsche Journalistenverband Sachsen zeigte sich solidarisch mit dem Hochschulmedium.

United Capital gibt sich geschlagen

Allgemein gelten Klagen bezüglich des Unternehmenspersönlichkeitsrecht für Firmen als nicht besonders leicht. In den meisten Fällen wiegt das Recht auf Meinungsäußerung schwerer als der Schutz des Rufs des jeweiligen Unternehmens. Lediglich bei unwahren Behauptungen bekommen diese Recht.

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Die „luhze“ bekräftigte in ihrer Pressemitteilung Gespräche im Vorfeld der Berichterstattung geführt zu haben und Beweise vorliegen zu haben. Die Autorin des Artikels Leonie Beer habe demnach sowohl mit der Leitung von United Capital wie auch mit den betroffenen Bewohner:innen persönlich gesprochen.

„Ich hätte nie gedacht, dass dieser Artikel so große Wellen schlägt“, erklärt Beer auf Instagram, „Mir wurde gesagt, dass der Artikel gar nicht so kritisch sei. Dass das Unternehmen das so anders einschätzt, hätte ich nicht gedacht“.

Der gesamte Verein kann jetzt aufatmen. Realisiert haben das die Mitglieder noch nicht so richtig. „Wir haben uns jetzt Wochen mit dem Rechtsstreit beschäftigt, vielleicht braucht man da ein paar Wochen um wieder runterzukommen“, bestätigt auch Vereinsvorsitzende Mosig.

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