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Gutes Studium. Der Akkreditierungsrat prüft die Studiengänge.

© imago/Future Image

Prüfung von Studiengängen: Ärger über Uni-Tüv

Geistes- und Wirtschaftswissenschaftler fühlen sich im Akkreditierungsrat nicht vertreten. Schuld sei die Hochschulrektorenkonferenz. Sie sei nach "Gutsherrenart" vorgegangen

Werden Studiengänge von Leuten geprüft, die von der Sache nicht genug verstehen? Dieser Auffassung sind die Fakultätentage. Sie kritisieren, große Fächergruppen wie die Geisteswissenschaften und die Wirtschaftswissenschaften seien bei der Besetzung des Akkreditierungsrats im März nicht berücksichtigt worden. Schuld sei die Hochschulrektorenkonferenz (HRK). „Fachlichkeit war offensichtlich kein Kriterium“, sagt Tassilo Schmitt, Professor für Alte Geschichte an der Universität Bremen und Vorsitzender des Philologischen Fakultätentags. Kritik kommt auch vom Sozialwissenschaftlichen Fakultätentag sowie von beiden Theologischen Fakultätentagen. Auch sie sehen ihre Fächer im Akkreditierungsrat nicht repräsentiert.

Der Akkreditierungsrat ist eine Einrichtung der Länder. Seine Aufgabe ist es, sämtliche Studiengänge auf ihre Qualität zu überprüfen – es sei denn, den jeweiligen Hochschulen wurde das Recht übertragen, dies selbst zu tun (Systemakkreditierung). Im Akkreditierungsrat sitzen acht Professorinnen und Professoren, außerdem ein Vertreter der HRK, Vertreter der Länder, der Berufspraxis, Studierende, Vertreter aus dem Ausland sowie der Akkreditierungsagenturen.

"BWL und VWL nicht vertreten"

Die Vorschläge für die Besetzung kommen von der HRK, die Kultusministerkonferenz bestellt die Mitglieder. Die Professoren müssen „zumindest die vier Fächergruppen der Geisteswissenschaften,

Gesellschaftswissenschaften, Naturwissenschaften und der Ingenieurwissenschaften repräsentieren“, heißt es im Staatsvertrag der Länder. Das scheinen HRK und KMK aber nicht vollständig beherzigt zu haben. Die Wirtschaftswissenschaften werden durch einen Wirtschaftsingenieur mit stark ingenieurwissenschaftlichem Profil repräsentiert. „BWL und VWL sehe ich dadurch nicht vertreten“, sagt Susanne Homölle, BWL-Professorin in Rostock und Vorsitzende des Sozialwissenschaftlichen Fakultätentags. Und das, obwohl 16 Prozent aller Studierenden in diesen Fächern eingeschrieben seien.

Die Geisteswissenschaften hingegen sind im Rat durchaus vertreten – schließlich sitzt dort der Romanist Reinhold Grimm, der auch Vorsitzender des Gremiums ist. Allerdings kritisiert der Philosophische Fakultätentag die Personalie heftig: Im Vorfeld von Grimms Bestellung hatte sich der Philosophische Fakultätentag auf seiner Plenarversammlung mit großer Mehrheit dagegen gewandt, Grimm, der dem Gremium bereits seit 2007 vorsitzt, noch einmal zu bestellen. Der Jenaer Professor sei seit vielen Jahren im Ruhestand sei und kenne die Probleme bei der Umsetzung der Bologna-Reform nicht aus eigener Anschauung. „Es geht nicht, dass die Geisteswissenschaften und die Wirtschaftswissenschaften nicht durch einen aktiven Professor vertreten sind“, sagt Albert Albers, Professor für Maschinenbau in Karlsruhe und der Vorsitzende des Allgemeinen Fakultätentags (AFT), dem Zusammenschluss aller 18 Fakultätentage. Grimm sagt: „Ich bin sicher besser auf dem Laufenden als die meisten anderen.“

Allerdings ist auch zu hören, manchen gefalle Grimm schon deshalb nicht, weil er das von vielen abgelehnte Akkreditierungswesen letztlich unterstütze.

Auch rechtliche Folgen sind möglich

Empört sind die Fakultätentage über das Ergebnis der HRK-Auswahl aber vor allem, weil sie der HRK selbst eine gemeinsame Vorschlagsliste geeigneter Kandidaten übermittelt hatten - was die HRK damals auch begrüßt habe. Die Liste dann zu ignorieren, ist ein „Affront“, sagt Schmitt. Albers wirft der HRK vor, „nach Gutsherrenart“ vorgegangen zu sein.

Schmitt hält auch rechtliche Folgen für möglich: Würde einem Antragssteller die Akkreditierung verweigert, könne der womöglich erfolgreich dagegen klagen – mit Verweis auf die fehlende Fachkompetenz im Akkreditierungsrat.

Dass die Politiker im Staatsvertrag das Vorschlagsrecht an die Rektoren übertragen haben, ist aus Sicht der Fakultätentage ein „Konstruktionsfehler“. „Die HRK vertritt ja nicht die Fächer, sondern die Hochschulleitungen“, sagt die Ökonomin Homölle. Die Fakultätentage berufen sich auch auf das Karlsruher Urteil von 2016, das die Neuordnung der Akkreditierung mit einer Stärkung der Professoren im Akkreditierungsrat erst nötig gemacht hatte.
Warum ist die HRK den Vorschlägen des AFT nicht gefolgt? Federführend war HRK-Vizepräsident Holger Burckhart, Rektor der Uni Siegen. Er lässt schriftlich auf einen Beschluss der Mitgliederversammlung der HRK verweisen. Danach sollten die Vorschläge zur Besetzung des Akkreditierungsrats aus den „(Landes)Rektorenkonferenzen“ kommen sowie vom AFT und von studentischer Seite. „Das HRK-Präsidium hat sich auf der Basis dieser Vorschläge aufgrund der jeweiligen persönlichen und fachlichen Eignung der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für ein Tableau entschieden, das den Anforderungen an die Repräsentanz der Wissenschaft gerecht wird und einen Pool an Expertise bildet (…)“, lässt Burckhart weiter erklären. Sowohl die vier großen wissenschaftlichen Fachgebiete als auch die unterschiedlichen Hochschularten seien „angemessen berücksichtigt worden“.

Der Rat soll jetzt erweitert werden

Wie weiter? Auch Grimm hält es für unglücklich, dass die HRK die Liste der Fakultätentage fast nicht berücksichtigt hat. Der Akkreditierungsrat habe aber bei seiner ersten Sitzung vor drei Wochen beschlossen, den Akkreditierungsrat zu erweitern: Die KMK werde noch acht Stellvertreter der Professoren benennen, außerdem sollen weitere Wissenschaftler als „ständige Gäste“ beratend in entsprechenden Ausschüssen für die Fächergruppen teilnehmen, ebenso an einem neuen System der Berichterstattung. „Ich denke, dass der Missmut sich bald legt“, sagt Grimm.

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