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© Nasa

Astrophysik: Blick in einen neuen Himmel

Gammastrahlen zeigen ein Universum, das bislang kaum erforscht ist. Zwei neue Teleskop-Verbünde sollen das ändern. Forscher hoffen, damit unbekannte Objekte und Phänomene zu finden.

Zuerst bestand der Himmel nur aus Sternen. Mit bloßem Auge, seit 400 Jahren auch mit Teleskopen, studierten Forscher die leuchtenden Punkte. Vor etwa 100 Jahren erschlossen sie ein weiteres Universum, eines, das von Infrarotwellen gezeichnet wird. Kurze Zeit später kam noch der Kosmos der Radiowellen hinzu, die aus Resten von Sternenexplosionen oder Pulsaren durch den Raum schießen. Die jüngste Entdeckung ist das „Hochenergie-Universum“, von dem die Wissenschaftler bislang nur einen Bruchteil gesehen haben. Doch das soll sich ändern.

Wie man etwa der energiereichen Gammastrahlung auf die Spur kommen will, darüber diskutierten jetzt rund 200 Fachleute im Desy (Deutsches Elektronen-Synchrotron) in Zeuthen bei Berlin. „Vor gerade 21 Jahren wurde im Krebsnebel die erste Quelle extrem energiereicher Strahlen und geladener Teilchen entdeckt“, sagt der Astrophysiker Christian Spiering vom Desy. „Inzwischen sind es gut 100.“ Eine Energie von bis zu 10 hoch 20 Elektronenvolt erreichen manche kosmische Boten, das ist etwa das Zehnmillionenfache dessen, was der Teilchenbeschleuniger LHC zuwege bringen kann.

Um energiereiche Gammastrahlen nachzuweisen, die immerhin noch „zehnmal LHC“ erreichen, werden spezielle Teleskope benötigt. Denn die Gammaquanten dringen nicht bis zur Erdoberfläche vor. Sobald sie auf die Atmosphäre treffen, reagieren sie mit den Luftteilchen. Dabei entsteht das „Tscherenkow“-Licht: Ein Blitz, der nur etwa eine Milliardstelsekunde dauert und mit bloßem Auge nicht erkennbar ist. Für diesen kurzen Moment breitet sich das Licht kegelförmig zur Erdoberfläche hin aus. Nur wenn sich innerhalb dieses schmalen Spots ein spezielles Teleskop befindet, kann der Gammaquant registriert werden.

Bisher werden dafür das Hess-Observatorium nahe des Gamsbergs in Namibia und das Magic-Observatorium auf der Kanareninsel La Palma benutzt. Dort stehen vier beziehungsweise zwei dieser Tscherenkow-Teleskope. Je größer die Fläche ist, die von einem Observatorium überdeckt wird, desto mehr Gammatreffer können registriert werden und je mehr Teleskope an der Messung beteiligt sind, desto präziser kann die Strahlungsquelle lokalisiert werden.

Bei dem Expertentreffen in Zeuthen wurde darum über ein Nachfolgesystem für Hess und Magic diskutiert. Die „CTA“ (Cherenkov Telescope Array) genannte Lichtfalle soll zehnmal empfindlicher sein als ihre Vorgänger. Um den gesamten Himmel erforschen zu können, sollen auf der Nord- und Südhalbkugel zwei eigenständige Teleskopverbünde entstehen, wobei der südliche etwas größer und auf Teilchen mit höherer Energie spezialisiert sein soll. „50 bis 80 Teleskope sollen dort zu einem großen Detektor zusammengeschaltet werden“, erläutert Desy-Forscher Stefan Schlenstedt. Als Standort werden Namibia oder Argentinien gehandelt. Hauptsache weit weg von größeren Städten, damit die Beobachtungen nicht von Fremdlicht beeinflusst werden, und mindestens zwei Kilometer über dem Meeresspiegel, damit die Luft über dem Detektor möglichst klar ist.

Die Vorbereitungen für CTA seien in vollem Gange, berichtet Schlenstedt. Von der möglichen Herstellungstechnik für die Spiegel bis zur Messelektronik. Vor allem deutsche Forscher seien führend, aber auch Frankreich, Spanien, die Schweiz, Polen und die USA sind interessiert.

Die Finanzierung ist noch offen. „Rund 150 Millionen Euro müssten für das CTA investiert werden, damit es die gewünschte Genauigkeit erreicht“, sagt Schlenstedt. Immerhin hat es das Vorhaben bereits auf die Roadmap des Europäischen Strategieforums für Forschungsinfrastruktur (ESFRI) geschafft, einer Art Hitliste für besonders förderungswürdige Projekte. Aber noch hat keines der Partnerländer eine Zusage gegeben. So bleibt es fraglich, ob tatsächlich 2013 mit dem Bau und 2015 mit ersten Messungen begonnen werden kann.

Die Astrophysiker können es kaum erwarten, weitere Teile des Hochenergie-Universums zu entdecken. „Wir wollen wissen, wie diese kosmischen Maschinen funktionieren, die Strahlung mit der millionenfachen Energie irdischer Beschleuniger aussenden“, sagt Spiering. Man wisse inzwischen, dass sie beispielsweise aus der Nähe supermassiver Schwarzer Löcher kommt. „Wie in einem gigantischen Mahlstrom wird dort Sternenstaub durchgewalkt. Dabei wird viel Energie freigesetzt.“ Mithilfe des scharfen CTA-Auges könne man besser erkennen, aus welchen Regionen der kosmischen Strudel die Strahlung stammt und so deren Entstehung nachvollziehen.

Die Gammastrahlen können aber auch ganz woanders herkommen. „Einige der mit Magic und Hess erfassten Quellen wurden vorher in keinem anderen Frequenzbereich erkannt“, sagt Spiering. „Es ist also durchaus möglich, dass sich dahinter völlig neue Objekte und Phänomene verbergen, die bisher niemand kennt.“ Er ist sicher: Wenn die Forscher erst mit zehnmal größerer Auflösung den Gammastrahlen-Himmel erkunden, wird es noch manche Überraschung geben.

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