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App an die Uni. Unternehmerin Diana Knodel programmiert mit Lehramtsstudierenden.

© TU Berlin/PR/Oana Popa

Aus der Wirtschaft an die Uni: Plötzlich Professorin

Auf Nachwuchssuche: Die TU Berlin holt Führungskräfte aus der Wirtschaft an die Uni. Dadurch soll es auch neue Impulse für die Lehre geben.

„Meine Studierenden sind sehr motiviert, sie haben sich mit eigenen Ideen beteiligt und mir ein durchweg positives Feedback gegeben.“ So viel Begeisterung ist selten zu hören von Lehrenden. Diana Knodel, 35-jährige promovierte Informatikerin und Psychologin, ist noch ganz neu an der TU Berlin, lehrt erst seit einem Semester – und geht im Sommer wieder. Diana Knodel ist die erste Gastprofessorin im Programm „Joint Programmes“, mit dem die TU weibliche Führungskräfte aus der Wirtschaft für bis zu einem Jahr in Lehre und Forschung engagiert.

Ziel des Programms sei es, „neue Wege bei der Rekrutierung für Gastprofessorinnen, aber auch für reguläre Professuren zu gehen“, sagt Projektleiterin Charlotte Reinisch. Die Zahl der promovierten Frauen mit Forschungserfahrung in den Unternehmen sei überschaubar. Auf normale Ausschreibungen vor allem in den MINT-Fächern meldeten sich in aller Regel zu wenige Kandidatinnen. „Aber es gibt sie, die Frauen mit den sehr spannenden Lebensläufen“, sagt Reinisch.

Mit „Joint Programmes“, das bei der Zentralen Frauenbeauftragten der TU angesiedelt ist, hat sich die Uni seit 2015 auf die Suche gemacht. Diana Knodel fing im Herbst 2016 an, zum kommenden Sommersemester starten zwei, zum Wintersemester eine weitere Frau, darunter eine Managerin aus einem großen deutschen Unternehmen und eine Wasserbauingenieurin aus dem Sudan. Wer Vollzeit einsteigen will, bleibt ein Semester, wer zur Hälfte im Unternehmen weiterarbeiten möchte, kommt wie Diana Knodel für zwei Semester. Lehren müssen die Gäste neun Semesterwochenstunden, bei der Wahl eines begleitenden Forschungsprojekts haben sie freie Hand.

Das Programm der TU wurde gerade ausgezeichnet

Lob bekam die TU jetzt vom Stifterverband, der dem Programm die „Hochschulperle des Monats Februar“ verlieh. „Joint Programmes“ sei ein „Perspektivwechsel, der über einen schnellen Einblick hinausgeht“, heißt es in der Begründung der Jury. Sowohl die Hochschule als auch die Führungskräfte profitierten „von neuen Impulsen aus dem jeweils anderen Bereich“. Das habe Vorbildcharakter für die Hochschulen bundesweit.

Für Diana Knodel ergänzt sich ihre Tätigkeit im 2014 gegründeten Hamburger Start-up „App Camps“ ideal mit ihren Seminaren mit Studierenden der Arbeitslehre an der TU. In ihrem Unternehmen, das sie gemeinsam mit ihrem Mann leitet, entwickelt Knodel Materialien für Informatik-Lehrkräfte, die ihren Schülerinnen und Schülern das Programmieren beibringen wollen. Und genau dafür könne sie ihre Studierenden an der Uni begeistern, sagt die Gastprofessorin.

Zunächst hat sie die Gruppe an die App-Entwicklung herangeführt, dann haben die Studierenden eigene Apps entworfen, etwa für Bastelarbeiten mit Kindern oder zum Vokabellernen. Als Hausarbeit müssen die Studierenden nun eine Anleitung für Schüler entwickeln, diese Apps nachzubauen. Lehrerfahrung sammelte Knodel schon in der Promotionsphase. Doch jetzt passe ihr unternehmerisches Projekt, das Programmieren in die Schulen zu bringen, einfach perfekt dazu, es verstärkt auch in der Ausbildung von Lehramtsstudierenden zu etablieren, sagt sie.

Führungskräfte als Rollenvorbilder

Neue Impulse in der Lehre zu geben, sei neben dem „Recruiting“ potenzieller Professorinnen ein Ziel des Programms, sagt Koordinatorin Reinisch. Die Führungskräfte dienten außerdem als Rollenvorbilder für Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen.

Fachhochschulen versuchen derzeit auf ähnlichen Wegen, Professorinnen-Nachwuchs zu gewinnen. Programme, mit denen Praktiker aus der Wirtschaft über Hochschulhospitationen in den Hörsaal geholt werden sollen, stehen aber auch unter kritischer Beobachtung. So wurde aus dem Wissenschaftsrat gewarnt, es dürfe keine „Brücken und Krücken“ auf dem Weg zur Professur geben.

Reinisch betont, dass Gastprofessorinnen, die sich für eine reguläre Professur interessieren, dieselben „harten Kriterien“ zu erfüllen haben wie alle anderen. Auch sie müssten umfangreiche Lehrerfahrung, eine Publikationsliste und eine Habilitation oder ein Äquivalent dazu mitbringen. „Die Gastprofessur ist ein erster Schritt, um seitens der TU Offenheit zu signalisieren.“ Auch für die Interessentinnen sei das Engagement für ein oder zwei Semester nur ein Anfang, um ein Forschungsprojekt anzugehen, Forschungsnetzwerke zu knüpfen, ihre Lehrerfahrung aufzufrischen – und zu testen, „ob sie wirklich in die „Wissenschaft zurückwollen“.

Dafür gibt es auch ein realistisches Schnupper-Honorar: Bezahlt wird auf dem mittleren W2-Besoldungsniveau für Professuren, also mit rund 5000 Euro im Monat. Das Geld kommt aus dem Professorinnen-Programm von Bund und Ländern. Den Professorinnen-Titel dürfen die Gäste schon mal für die Zeit führen, in der sie an der TU sind. Diana Knodel macht davon keinen Gebrauch. Doch die Arbeit als Hochschullehrerin begeistere sie. „Den ganzen Weg bis zur Habilitation zu gehen“, könne sie sich derzeit aber nicht vorstellen.

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