zum Hauptinhalt
Zukunftsvision. So könnte Berlin im Jahr 2045 aussehen.

© reinventing society und render vision

Ausstellung zur Klimakrise in Berlin: Warum sprechen wir viel, handeln aber nicht?

Welche Gefühle erzeugen Bilder von überschwemmten Städten in uns? Wie könnte Berlin 2045 aussehen? Eine Ausstellung zeigt, wie sich Kommunikation auf das Handeln in der Klimakrise auswirkt.

Dieses Telefon müsste es wirklich geben: Man kann damit in der Zukunft anrufen. Am anderen Ende meldet sich Klara aus dem Jahr 2045. Sie erzählt, wie ihr Leben aussieht, nachdem die Menschen die Klimakrise erfolgreich bewältigt haben.

Ihr Gemüse erntet sie in einem Hochbeet auf der Straße vor dem Haus. „Da, wo früher die Autos standen.“ Hafermilch sei viel billiger als Kuhmilch, berichtet sie. So wie alle Lebensmittel, die dem Klima nicht schaden. Außerdem will sie Biosphären-Anwältin werden, eine Juristin, die die Rechte der Wälder vertritt.

Der Anruf in die Zukunft ist Teil einer neuen Ausstellung namens „Klima_X. Warum tun wir nicht, was wir wissen?“, die bis September 2024 im Museum für Kommunikation in Berlin-Mitte zu sehen ist. Sie beschäftigt sich damit, wie über die Klimakrise gesprochen wird und warum trotz aller Fakten, die auf dem Tisch liegen, so wenig Veränderung geschieht.

Mit einem Anruf in die Zukunft können Besucher:innen erfahren, wie das Leben in Berlin 2045 aussehen könnte.

© Museum für Kommunikation BerlinYves Sucksdorff

Im Bereich „Emotionen“ zeigt die Ausstellung zum Beispiel, wie Gefühle beim Sprechen über das Klima Handlung fördern oder hemmen können. „Wir laden die Besucher ein, darüber zu reflektieren, welche Gefühle Bilder der Klimakrise bei ihnen auslösen. Etwas, das oft unbewusst abläuft“, sagt Sebastian Daniel Mall, der zum Kurator:innen-Team gehört. „Zum anderen erleben sie, dass sie mit diesen Gefühlen nicht alleine sind.“

An einem „Emotionsdetektor“ sehen die Besucher:innen auf einem großen Bildschirm Fotos einer überschwemmten Stadt oder eines zerstörten Korallenriffs und können aus einer Auswahl an Gefühlen dasjenige wählen, das das jeweilige Foto bei ihnen auslöst. Am Ende sehen sie auch, wie sich die anderen Besucher:innen gefühlt haben. Interessant: Auf schockierende Bilder von Überflutungen und heimatlosen Eisbären reagieren die meisten Besucher:innen mit Angst und Trauer, auf Fotos von einem demonstrierenden Kind oder einer grünen Zukunftsvision von Berlin mit dem Gefühl von Tatendrang.

Die Ausstellung bietet auch einen Rückblick auf die Geschichte der Klimakrise in den letzten 80 Jahren und zeigt, wie Wissenschaftler:innen sowie Akteur:innen aus Politik, Medien oder Zivilgesellschaft zu verschiedenen Zeiten darüber gesprochen haben. Da ist der englische Ingenieur Guy Stewart Callendar, der mit Messungen im Jahr 1938 erstmals die globale Erwärmung nachwies. Oder Charles Keeling, der 1958 den Anstieg des CO2 in der Atmosphäre mit seiner Keeling-Kurve visualisierte. Da ist auch ein Cover des Nachrichtenmagazins „Spiegel“, auf dem schon 1986 der Kölner Dom im Meer versinkt. Titelzeile: „Die Klima-Katastrophe“.

Der Streifzug durch die vergangenen Jahrzehnte zeigt aber auch: Weder sachliche Fakten noch Katastrophenszenarien haben ausgereicht, um bei einer breiten Masse von Menschen die Bereitschaft für wirkungsvollen Klimaschutz zu wecken. Das liegt neben vielen Gründen auch daran, dass die größten Verursacher der Klimakrise, die Kommunikation über den Klimawandel zu ihren Gunsten beeinflusst haben.

Zu erfahren ist, wie ab Ende der 70er-Jahre Gas- und Ölkonzerne wissentlich Falschinformationen streuten, um Zweifel an den Fakten des Klimawandels zu säen, die bis heute nachwirken. Ab 2004 verbreitete der Ölkonzern BP in einer großen Kampagne den persönlichen CO2-Fußabdruck-Rechner, um den Fokus von ihm weg hin auf die Verantwortung jedes Einzelnen zu lenken. Ein Thema, das zu dieser Zeit viel Aufmerksamkeit bekam und bei vielen Menschen Schuldgefühle, Überforderung und Abwehr hervorrief.

Im Bereich „Gamechanger der Geschichte“ gibt es die Gelegenheit, sich von erfolgreichen Bewegungen inspirieren zu lassen. „Ein weit verbreitetes Gefühl in der Klimakrise ist: Das schaffen wir eh nicht“, sagt Sebastian Daniel Mall. „Wir stellen Beispiele aus der Vergangenheit vor, die zeigen, dass Wandel möglich ist. Mit diesen Geschichten können wir uns verbinden, um in die Handlung zu kommen.“ Da sind zum Beispiel die DDR-Bürgerrechtsbewegungen, die Kampagne zum Nichtraucherschutz oder auch die Frauen, die sich 1919 das Wahlrecht erkämpften – letztere allerdings mit weitaus militanteren Aktionen als die „Letzte Generation“.

Im Gegensatz zu vielen anderen Auseinandersetzungen mit dem Thema entlässt die Ausstellung die Besucher:innen mit einem Gefühl von Hoffnung: Neben dem Anruf in die Zukunft kann man im letzten Raum durch ein Fernrohr sehen, wie Berlin im Jahr 2045 aussehen könnte: sehr grün, viele Fahrräder, klare Luft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false