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Man sieht sich in Berlin. Die Gruppe von der Cairo University (CU) zu Gast an der FU.

© A. Burchard

Austausch mit Ägypten: Freie Universität Kairo

Ägyptische Studierendenvertreter zu Besuch an der Freien Universität Berlin: Sie sind stolz auf die Fortschritte, die die Demokratie auf dem Campus macht. Und verzweifelt über die Situation in ihrem Land.

Karim Hesham hängt über dem Laptop, organisiert den Streik an seiner Fakultät. Der 20-Jährige studiert Ingenieurwissenschaften an der Universität Kairo – und ruft seine Kommilitonen auf, die Hörsäle zu verlassen und auf die Straße zu gehen. „Es ist wegen der Katastrophe im Stadion. Die Sicherheitsleute haben einfach zugeschaut, auch einer von unserer Fakultät ist in Port Said gestorben.“ Die Studierenden werfen dem Militärrat vor, die tödlichen Ausschreitungen am 1. Februar angestiftet zu haben. Die Generäle, die vor einem Jahr die Regierungsgeschäfte vom Mubarak-Regime übernommen haben, wollten das Land weiter destabilisieren, um an der Macht bleiben zu können.

Von den täglichen Demos ist Karim im Moment weit weg. Mit einer Gruppe von 15 Kommilitonen ist der studentische Aktivist auf Einladung der Freien Universität nach Berlin gereist. Sie treffen sich am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft (OSI) mit Fachschaftsvertretern, im „Roten Café“ mit dem Asta, diskutieren mit einer OSI-Professorin über die Lage in Ägypten. Sie besuchen Mensen und Studentenwohnheime – und den Deutschen Bundestag. Gefördert wird die Reise vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD).

„Wie frei die Studierenden hier Politik machen können, ist beeindruckend“, sagt Nuran Maher (19), Studentin der Politikwissenschaft. „Die Fachschaftsinitiativen bekommen Geld von der Hochschule, werden aber nicht kontrolliert. Wir können viel lernen.“ Karim widerspricht, auch er in fließendem Englisch. „Erstaunt hat uns, dass nur 15 Prozent an den Wahlen zum Studierendenparlament teilnehmen. Die Studenten müssen doch für ihre Rechte kämpfen, das verstehe ich nicht.“ Nachhilfe in Campus-Demokratie brauchen sie nicht, meint auch Mohammed Amgad, ein 19-jähriger Medizinstudent. „Wir sind besser strukturiert, haben mehr Komitees, die Kulturevents und soziale Unterstützung organisieren.“

Seit dem Sturz Mubaraks und der Nationaldemokratischen Partei (NDP) hat sich zumindest an der Kairoer Universität vieles geändert. Alle Dekane, die der NDP angehörten, sie beraten haben und dafür üppige Honorare erhielten, seien mittlerweile entmachtet, sagt Nuran. Alia al Mahdi, die mächtige Politologie-Dekanin, die im Mai noch behauptete, Korruptionsvorwürfe entkräftet zu haben, ist im Sommer zurückgetreten. Von Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern gewählt – und nicht wie früher vom Uni-Präsidenten eingesetzt – wurde Hala El Said, eine Ökonomin, „die mit den Studierenden spricht“, wie Nuran anerkennend sagt.

Das Klima auf dem Campus sei sehr viel freier geworden. Man müsse keine Angst mehr vor der früher allgegenwärtigen Nationalen Sicherheit haben, vor Spitzeln, die links gesinnte Studierende und Anhänger der Muslimbruderschaft denunzierten, sagt Karim. Aber eine offizielle Aufarbeitung des Systems von Bespitzelung und Korruption gebe es noch nicht. „Was sollen wir denn tun, sollen wir sie alle einsperren?“, fragt Karim kopfschüttelnd. „Wir wollen keine Rache“, sagt Mohammed, „wir wollen Gerechtigkeit.“ Nuran ergänzt: „Und volle Transparenz.“ Die Kairoer Studierenden sind eloquent, bestens informiert und kämpferisch. Und sie sind verzweifelt über die schleppende Demokratisierung in ihrem Land.

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