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Ihr Auftritt: Die Avicenna-Stipendiatinnen Hatifa Jadran und Nardin Maarouf (am Pult)

© Valentin Paster/Avicenna

Begabtenförderung: Die künftige muslimische Elite stellt sich vor

Avicenna ist das jüngste der 13 staatlich anerkannten deutschen Begabtenförderwerke. Sein erster Jahrgang besteht zum größten Teil aus Frauen. Die Aufnahmefeier zeigte: Hier geht es um mehr als um 65 kluge junge Musliminnen und Muslime.

Jung, begabt. Und muslimisch. „Wenn es nach der statistischen Normalverteilung ginge, dürfte das eigentlich nichts so Extraordinäres sein“, sagt Yasemin Karakasoglu. Aber wenn es um den Islam geht, ist nichts einfach nur Statistik. Und die Feier, deren Festrednerin die Bremer Professorin war, war deswegen wirklich hoch symbolisch: Das muslimische Begabtenförderwerk Avicenna - nach dem lateinischen Namen des persischen Universalgelehrten des 10. Jahrhunderts Ibn Sina - nahm am Montag seine ersten 65 Stipendiatinnen und Stipendiaten auf.

Konkurrenz fürs negative Islambild

Mit der Anerkennung von Avicenna und der Aufnahme in seine Förderung hatte das Bundesforschungsministerium im letzten Jahr einen weiteren Schritt zur Etablierung des Islam an den Universitäten unternommen – und weit über sie hinaus. Man anerkenne damit „Muslime als wichtige gesellschaftliche Akteure“, sagte Forschungsstaatssekretär Thomas Rachel (CDU). Zuvor hatten Bund und Länder bereits vier Zentren für islamische Theologie eingerichtet. Die beiden christlichen Konfessionen werden wie die politischen Begabtenförderwerke und die weltanschaulich neutrale „Studienstiftung des deutschen Volkes“ seit vielen Jahren finanziert; vor fünf Jahren kam das jüdische „Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk“ hinzu.

Schon der erste Avicenna-Jahrgang dürfte, wie Karakasoglu sagte, in starke „Konkurrenz zum überwiegend negativen Bild von Muslimen“ treten und „Stereotype ad absurdum führen“. Die jungen Leute, die sich nicht nur durch gute Schul- und Studienleistungen, sondern auch durch soziales Engagement qualifizierten, sind überwiegend Frauen: 31 der 51 geförderten Studierenden und sogar elf der 14 Promovierenden. Man habe während des Auswahlverfahrens das „Männerproblem“ erkannt, sagte Professor Werner Schiffauer, Mitglied der Auswahlkommission, dem Tagesspiegel. Die Leistung habe aber entschieden.

Als erste der Familie an der Uni

Ein Problem, das andere Stiftungen seit Jahren beschäftigt, scheint die muslimische Begabtenförderung nicht zu haben: Die Stipendiatinnen und Stipendiaten „sind zum großen Teil Bildungsaufsteiger“, betonte Bülent Ucar, Avicenna-Vorsitzender und Professor für Religionspädagogik in Osnabrück. Für sie ist nicht nur das Geld wichtig – bis zu 597 Euro pro Monat, zuzüglich Studienkostenpauschale und bei Bedarf Familienzuschlägen –, sondern auch die ideelle Unterstützung.

Wer es als erstes Familienmitglied an eine Universität schafft, gibt das Studium mangels Hilfe öfter auf als Kinder aus Akademikerfamilien. Sie sei froh über das Geld, denn die finanzielle Lage ihrer aus Afghanistan geflohenen Familie sei „schwierig“, sagte Hatifa Jadran, Einser-Abiturientin und Medizin-Studentin in Hamburg, in ihrer Rede. Besonders freue sie sich aber auf die Stipendiatenseminare und den Austausch im Förderwerk. „Avicenna wird die helfende Hand sein, die mir bisher immer fehlte.“

"Ein Ort und ein Ereignis"

Dass am Montag mehr gefeiert wurde als 65 begabte junge Leute, deutete Wolfgang Rohe an, Geschäftsführer der Mercator-Stiftung, die Avicenna in der Aufbauphase unterstützt. Er empfehle den Blick von seinem Mikrofon aus, sagte Rohe, auf „einen Ort und ein Ereignis“. Professorinnen, Manager, Studenten, Politikerinnen: Im Leibniz-Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie war an diesem Montag Deutschlands muslimische Elite versammelt, die aktuelle und die künftige.

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