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Die „christmas tree structure“ in der Zelle eines Krallenfroschs.

© Edward B. Mougey et al., Genes&Dev. 1993

„Der Erbonkel“: Der innere Weihnachtsbaum

Noch keinen Tannenbaum fürs Fest besorgt? Nicht so schlimm, denn jede und jeder trägt sowieso unzählige winzige „Weihnachtsbäumchen“ mit sich herum.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Bald ist es wieder für alles zu spät: Dann hat man es wieder nicht geschafft, die zündende und wirklich beste Geschenkidee für die Liebste zu haben oder findet an den Tannenbaumständen nur noch Schiefes oder Unerschwingliches.

Am Erwerb einer sakralsymbolischen Jahresend-Konifere braucht man aber nicht zu verzweifeln. Denn es gibt einen Weg, sich elegant aus der Affäre zu ziehen: Einfach erzählen, dass jeder Mensch, ja sogar die meisten Lebewesen, massig Weihnachtsbäume in sich tragen.

Die Familie wird zunächst verständnislos schauen (der Erbonkel hat es ausprobiert) und in die Stille doziert man dann: In jeder Zelle müssen ständig neue Proteine zusammengebaut werden, ein Job, den tausende Proteinwerkstätten übernehmen, die Ribosomen. Doch auch diese Ribosomen müssen erst einmal entstehen. Die Bauanleitung zur Herstellung eines Ribosoms steht im Erbgut, im DNA-Faden, und muss von der Zelle ständig kopiert werden. Nur so können genug Ribosom-Fabriken gebaut werden, die dann die Zelle mit Proteinen versorgen.

Die „Weihnachtsbaum-Struktur“

Wenn also von den Ribosom-Bauanleitungen im Erbgut Kopien, RNA-Fäden, gemacht werden, dann „wachsen“ diese RNA-Moleküle von der DNA zur Seite weg – wie die Zweige einer Tanne vom Baumstamm. Zu Beginn des Kopiervorgangs (an der Spitze des Baumes) sind die „RNA-Zweige“ noch kurz, am Ende (am Fuß der Tanne) am längsten.

Diese „Weihnachtsbaum-Struktur“, so haben Biologen das benannt, lässt sich im Elektronenmikroskop tatsächlich beobachten, etwa in Zellen von Krallenfröschen wie im Bild (s.o.). Am Ende der „RNA-Zweige“ hängen sogar kleine „Kugeln“ (aus Eiweißen, die das Ende der RNA-Fäden schützen). Mit anderen Worten: Jeder Mensch trägt in fast allen seiner Milliarden Zellen winzige Weihnachtsbäume mit sich herum.

So faszinierend das ist – die Familie des Erbonkels hat das dennoch nicht von einem baumlosen Fest überzeugt. Hat jemand einen Tipp, wo ich jetzt noch einen günstigen Weihnachtsbaum herbekomme?

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

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