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Wissen: Die Botschaft Lateinamerikas

Das Ibero-Amerikanische Institut wird 80 Jahre alt

Simón Bolívar wird sein Schwert tragen. Um die Klinge des Befreiungshelden vor Vandalen zu schützen, hat man im Ibero-Amerikanischen Institut (IAI) ein Schraubsystem ersonnen, um sie abzunehmen. Nur zu besonderen Anlässen wird sie wieder angeschraubt. Der 80. Geburtstag des IAI am heutigen Donnerstag ist natürlich so ein Tag, und so wird die Statur des Befreiers Südamerikas in voller Montur vor dem Institut in der Potsdamer Straße die versammelten Botschafter Lateinamerikas und der Karibik empfangen.

Das IAI, das von seinen Besuchern und Mitarbeitern oft nur „Ibero“ genannt wird, ist eine typische Berliner Einrichtung: In anderen Städten wäre es der ganze Stolz, hier aber droht es immer in der Fülle der Wissenseinrichtungen unterzugehen. Charakteristisch dafür ist, dass es im Ausland bekannter ist als in Berlin. Vor nicht allzu langer Zeit konnte man Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa im Lesesaal bei der Recherche beobachten. In Buenos Aires kursiert unter Wissenschaftlern der Witz: „Wir sehen uns im Ibero.“

Was macht das IAI, das viele fälschlicherweise für eine reine Bibliothek halten, so besonders? „Die Kombination von Wissensspeicher mit Wissensproduktion“, sagt Barbara Göbel, die Direktorin. Das Institut mit seinen 70 festen Mitarbeitern unterhält eine renommierte Forschungsabteilung und ein Stipendienprogramm. Göbel selbst gilt als ideenreich und versucht das Institut stärker international zu vernetzen. Manche in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu dem das IAI gehört, sagen daher: „Sie nervt nachhaltig.“ Es ist ein Kompliment. Das IAI ist heute einer der Brückenköpfe Berlins nach Lateinamerika.

Es beherbergt die größte europäische Spezialbibliothek für den Ibero-Amerikanischen Raum und die drittgrößte weltweit. Dazu gehören 1,4 Millionen gedruckte Bände sowie Fotos, Filme, Plakate und Tonträger. Jedes Jahr kommen 30 000 Bücher hinzu. Bibliothekar Christoph Müller („wir kaufen alles, was nicht niet- und nagelfest ist“) führt durch das Archiv, das einst als Tiefgarage für die benachbarte Staatsbibliothek vorgesehen war. Das älteste Buch ist eine Chronik der Eroberung Mexikos von 1550. Stolz ist Müller auch auf die Kartensammlung, mit deren Hilfe das VW-Team 2009 die „Rallye Paris-Dakar“ durch Argentinien gewann. Da der Platz in den zwei Fußballfelder großen Archiven schwindet, wird ab 2012 in neuen Speichern in Friedrichshagen weitergesammelt. Müller zeigt die rot eingebundene Sammlung des argentinischen Diplomaten Vicente Quesada, die den Grundstock bildete, als das IAI 1930 gegründet und im Stadtschloss untergebracht wurde. 1941 zog die Bibliothek dann nach Lankwitz um. Nach dem Krieg wurde das IAI von den Alliierten als NS-Institution angesehen und erhielt erst 1962 den alten Namen zurück. Seit 1977 befindet es sich am Kulturforum. Kenner nennen das IAI auch die „Botschaft Lateinamerikas.“ Philipp Lichterbeck

IAI, Potsdamer Str. 37. Die Festveranstaltung am heutigen Donnerstag beginnt um 18 Uhr, Festredner ist Antonio Skármeta.

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