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Düngen: Zu viel des Guten

Oft wird übermäßig gedüngt – manchmal genügt ein Bruchteil, um die gleiche Ernte zu erzielen

Er ist ein notwendiges Übel: Kunstdünger für die Landwirtschaft. Einerseits verhilft er zu reichen Ernten, die wiederum uns Menschen ernähren. Andererseits werden oftmals so viele Nährstoffe auf den Acker gebracht, dass die Pflanzen gar nicht alles verbrauchen können. Die überschüssigen Stickstoff- und Phosphorverbindungen werden mit dem Regenwasser in angrenzende Gewässer gespült und lösen dort Algenblüten aus. Diese sind mitunter so stark, dass die Seen biologisch „umkippen“ und nahezu alle Wasserbewohner sterben.

„Während früher viele Äcker zu wenig Nährstoffe bekamen, werden sie zunehmend mit Dünger überfrachtet. Beide Extreme haben weitreichende Folgen für die Natur und Menschheit“, schreibt ein internationales Forscherteam im Fachjournal „Science“ (Band 324, Seite 15619). Peter Vitousek von der Stanford-Universität in Kalifornien und seine Kollegen haben für drei vergleichbare Regionen eine Bilanz der Dünger- und Erntemengen aufgestellt. Demnach wurden auf der Beobachtungsfläche in Westkenia pro Jahr und Hektar sieben Kilogramm Stickstoff über Dünger auf den Acker gebracht. Über das geerntete Getreide wurden aber im gleichen Zeitraum wieder 59 Kilo entnommen. Die jährliche Differenz von 52 Kilo Stickstoff führe dazu, dass der Boden immer mehr verarme und die Erträge in der von Mangelernährung geprägten Region zurückgehen, schreiben die Forscher.

Ganz anders in Nordchina. Auf dem dort analysierten Testfeld, das aufgrund des Bodens und Klimas eine ähnliche Ernte erwarten ließe, wurde tatsächlich viermal so viel Getreide eingefahren als in Kenia.

Allerdings haben die chinesischen Bauern pro Jahr und Hektar allein über Dünger 588 Kilogramm Stickstoff ausgebracht. Durch die Ernte wurden 361 Kilogramm wieder entnommen. Somit wächst dort die Stickstoffmenge in jedem Jahr um 227 Kilogramm und führt langfristig zu Umweltproblemen. Eine Studie chinesischer Wissenschaftler hatte unlängst gezeigt, dass die Menge des Stickstoffdüngers in dieser Region halbiert werden könnte, ohne Einbußen bei der Menge oder der Qualität des Getreides hinnehmen zu müssen.

Das bestätigt die Analyse von Vitouseks Team. Ein Versuchsfeld im Mittleren Westen der USA lieferte fast genauso viel Getreide wie der Acker in China. Die Farmer hatten aber nur ein Sechstel der Düngermenge ausgebracht. Dementsprechend gering war der Stickstoffüberschuss, der Boden und Gewässer langfristig beeinträchtigt.

Um das Problem des sehr unterschiedlichen Düngemitteleinsatzes zu lösen, müsse die Politik in den einzelnen Ländern verschiedene Maßnahmen ergreifen, fordern das Team um Vitousek. Gerade in Afrika müssten die Nährstoffe für den Boden subventioniert werden. „Andernfalls geht die Nahrungsmittelproduktion weiter zurück, und Hunger und Armut nehmen drastisch zu“, schreiben die Forscher. In anderen Regionen hingegen sei es dringend geboten, die Nährstoffmengen zu beschränken. Zudem könnten Landwirte den Dünger noch effektiver nutzen, indem sie ihn zum idealen Zeitpunkt gezielt an die Pflanze bringen.

In der Europäischen Union gebe es bereits umfangreiche Studien über die Auswirkungen des Düngens auf verschiedene Naturräume. Solche Untersuchungen seien auch in anderen Regionen, wie den USA, erforderlich, um dort Umweltschäden durch ein Zuviel an Nährstoffen zu verringern. Ralf Nestler

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