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Wer eine E-Zigarette „dampft“, verringert sein Gesundheitsrisiko im Vergleich zum herkömmlichen Rauchen.

© AFP

Elektrische Zigaretten: Viel Dampf um den Dampf

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt der Politik eine harte Linie beim Umgang mit elektrischen Zigaretten – und erntet heftigen Widerspruch von anderen Fachleuten.

Es gibt Probleme, die sich nicht endgültig lösen lassen. Zu ihnen gehört das Regulieren von Drogen und süchtig machenden Substanzen. Der Staat ist hier auf einer Gratwanderung zwischen Erlauben und Verbieten. Für eine harte Linie beim Umgang mit der elektrischen (E-)Zigarette plädiert nun die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie empfiehlt der Politik drastische Maßnahmen gegen das „Dampfen“ – und erntet damit heftigen Widerspruch unter Suchtexperten, die der WHO Irreführung vorwerfen.

Grundlage der von der WHO befürworteten Einschränkungen ist ein von ihr in Auftrag gegebener, im Internet zugänglicher Bericht über „Elektronische Nikotin-Liefersysteme“, wie E-Zigaretten im Fachjargon heißen. In E-Zigaretten wird kein Tabak zu Teer verbrannt, sondern eine meist aromatisierte Nikotinlösung verdampft, die eingeatmet wird. E-Zigaretten qualmen also nicht vor sich hin.

Die E-Zigarette erzeugt kein krebserregendes Chemikaliengemisch

Der Nikotinabhängige bekommt durch die E-Zigarette seinen „Stoff“. Doch setzt er sich und seine Umwelt nicht dem Tabakrauch mit seinem Gemisch aus etwa 70 krebserregenden Substanzen und Kohlenmonoxid aus. Denn die Gefahr geht nicht vom Nikotin aus, sondern von den Verbrennungsprodukten „drum herum“.

Es gibt also Argumente, „Dampfen“ für das geringere Übel zu halten. Die WHO ist anderer Meinung und setzt auf Verbote. Sie empfiehlt analog zum Rauchen ein „Dampfverbot“ in Innenräumen. Hinzu kommen Einschränkungen bei der Werbung für E-Zigaretten und dem Gebrauch von Aromastoffen (künftig möglicherweise tabu: Frucht-, Süßigkeiten-, Alkoholaroma). Der Verkauf an unter 18-jährige soll untersagt werden.

Der WHO-Maßnahmenkatalog lässt keinen Zweifel daran, dass die Genfer Gesundheitsschützer das Dampfen auf einer Stufe mit dem Rauchen sehen. Für die wackeren Streiter wider die Tabakkonzerne stehen die Früchte eines jahrzehntelangen Kampfes auf dem Spiel. Die einst im Ringen gegen den Tabak geeinte Gemeinschaft der Gesundheitswissenschaftler ist im Streit um E-Zigaretten in zwei Lager gespalten. Zum ersten gehören die WHO-Experten. Ihnen geht es ums Grundsätzliche, Motto „Keine Macht dem Nikotin“. Das andere ist pragmatisch gesonnen. Beispiel ist ein Artikel im Fachblatt „Addiction“. In dem gehen die Pragmatiker mit der WHO ins Gericht und zerpflücken deren Auftragsbericht, der ihrer Ansicht nach den Wissensstand einseitig und alarmistisch wiedergibt.

Die Langzeitfolgen des "Dampfens" sind ungeklärt

„E-Zigaretten sind neu und wir haben natürlich noch nicht alle Antworten auf die Frage nach den gesundheitlichen Langzeitfolgen“, sagte Ann McNeill vom Londoner King’s College, Hauptautorin der „Addiction“-Kritik. „Aber wir wissen, dass sie viel weniger bedenklich als Zigaretten sind, die jedes Jahr weltweit sechs Millionen Menschen umbringen.“ Die E-Zigarette sei „um Größenordnungen sicherer“, stelle kein Risiko für Unbeteiligte dar und verführe nichtrauchende Kinder nur in vernachlässigbar geringem Maß zum Dampfen, sekundierte Mitautor Peter Hajek von der Londoner Queen-Mary-Universität.

Ein Vorwurf im WHO-Bericht lautet, dass Jugendliche besonders gern neben herkömmlichen Zigaretten auch E-Zigaretten konsumierten, dass dampfende Jugendliche zudem schwerere Raucher seien und das junge E-Zigaretten-Benutzer seltener mit dem Rauchen aufhörten.

In den Industrienationen geht die Zahl der Raucher zurück

Die Gegenseite kontert, dass dieser Befund positiv gedeutet werden könnte, weil Raucher nun eine gesündere Alternative hätten. Die Zahl der Raucher in den Industrienationen sei trotz des Aufstiegs der E-Zigarette weiter rückläufig. Zudem gebe es kaum Beispiele dafür, dass Nichtraucher zu regelmäßigen Dampfern würden. Meist sind diese ehemalige Raucher.

Anderer Meinung ist man auch bei der Frage, ob E-Zigaretten bei der Tabakentwöhnung helfen. Die WHO glaubt dies nicht, ihre Kritiker aber sehen durchaus einen gewissen positiven Effekt. Angesichts der wachsenden Popularität des Dampfens sei dieser durchaus bedeutsam. Und während die WHO behauptet, aus den Nikotin-Verneblern ströme nicht nur harmloser Wasserdampf, ist die andere Seite der Ansicht, das Risiko durch Nikotin und andere Chemikalien sei für Umstehende zu vernachlässigen.

Mitte Oktober werden WHO-Mitgliedsländer in Moskau über den Bericht beraten. Aus Sicht der Kritiker könnten die in der Folge zu erwartenden Verbote nach hinten losgehen und Dampfer wieder in die Arme der traditionellen Tabakindustrie treiben. Die WHO-Skeptiker haben vorgerechnet, dass für jede Million Umsteiger vom Tabak auf die E-Zigarette jährlich rund 6000 vorzeitige Todesfälle weniger zu erwarten seien. Fraglich, ob die WHO sich davon beeindrucken lässt.

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