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Anfeuern. Damit alle Eltern ihre Kinder beim Lernen unterstützen können, braucht es „passgenaue Angebote“.

© Thilo Rückeis

Eltern-Studie: Migranten wollen gute Bildung für ihre Kinder

Migranten wünschen sich für ihre Kinder eine gute Bildung, stoßen aber auf Barrieren - das zeigt eine neue Studie. 96 Prozent aller Eltern mit Migrationshintergrund sind demnach der Überzeugung, dass Bildung der wichtigste Schlüssel für ein gelungenes Leben sei.

„Du bist Ausländerin, du musst besser sein als die anderen!“ Das war die Einstellung, die Klaudija Paunovic als Schülerin von ihren Eltern vermittelt bekam. Viel mehr als das konnten ihr die serbischen Eltern aber auch nicht bieten: Sie arbeiteten viel, konnten bei den Hausaufgaben nicht helfen. Aber Klaudija, die einzige Schülerin mit Migrationshintergrund in ihrer Klasse, biss sich durch, schrieb gute Noten, machte Abitur und studierte. Heute arbeitet sie als Online Marketing Managerin und erzählt ihre Geschichte bei der Präsentation einer Studie zu den Bildungserfahrungen von Menschen mit Migrationsgeschichte. „Ich fühle mich nicht als Serbin und nicht als Deutsche, sondern als Europäerin“, sagt die junge Frau. Eine Erfolgsgeschichte, hinter der eine Haltung steht: Du kannst es schaffen, und: Bildung ist wichtig.

"Ein überraschendes Ergebnis"

Eine hohe Wertschätzung von Bildung ist, wie eine neue Studie zeigt, unter Migranten sehr verbreitet: 96 Prozent aller Eltern mit Migrationshintergrund stimmen der Aussage zu, dass Bildung der wichtigste Schlüssel für ein gelungenes Leben sei (hier die gesamte Studie). „Ein überraschendes Ergebnis“, sagt Professor Heiner Barz, Bildungsforscher an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der die zweijährige Studie „Große Vielfalt, weniger Chancen“ geleitet hat. „Sonst hört man ja eher von den angeblich bildungsfernen Migranten oder gar Bildungsverweigerern.“ Fast alle Eltern mit Migrationshintergrund halten Bildung also für wichtig – aber längst nicht alle sind in der Lage, entsprechend zu handeln und ihre Kinder zu motivieren und zu fördern.

Die Förderung ist stark vom Milieu abhängig

Das hängt stark vom jeweiligen Milieu ab. Die Forscher, die 120 qualitative und 1700 Telefoninterviews geführt haben, unterscheiden acht migrantische Milieus, die sich in ihren Werten, Lebensweisen und Möglichkeiten unterscheiden: vom „religiös verwurzelten“ über das „traditionelle Arbeitermilieu“ bis hin zum „intellektuell-kosmopolitischen“ und „multikulturellen Performer-Milieu“. Während etwa Eltern aus dem „bürgerlich adaptiven Milieu“ bei Hausarbeiten helfen oder zu Elternabenden gehen, ist das bei Eltern aus traditionsorientierten oder prekären Haushalten seltener der Fall. Deswegen seien „passgenaue Angebote“ nötig, die die unterschiedlichen Milieus erreichen, sagt Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung, die die Studie zusammen mit der Mercator Stiftung gefördert hat.

Nur wenige Lehrer haben Migrationshintergrund

Die Eltern wünschen sich vor allem Bildungs- und Informationsangebote an den Schulen selbst, eine Wertschätzung kultureller Vielfalt und interkulturell kompetente Lehrer. Hier zeigt die Studie eine große Diskrepanz: 92 Prozent der Befragten wünschen sich interkulturell kompetente Lehrerinnen und Lehrer, aber nur 60 Prozent erleben an der Schule ihrer Kinder solche Lehrkräfte. „Die Schulen müssen sich stärker interkulturell öffnen“, sagt Heiner Barz.

Eine Schlüsselfunktion kommt dabei Lehrern mit Migrationshintergrund zu – bisher nur schätzungsweise fünf Prozent der Lehrkräfte in Deutschland. Sie können „Bildungsbotschafter“ sein, leichter das Vertrauen vieler Eltern gewinnen und an ihren Schulen eine Willkommenskultur verankern. Mostapha Bouklloua, Landeskoordinator des Netzwerks „Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte“ (Düsseldorf), findet besonders wichtig, „dass die Schulen auch rausgehen, mit Migrantenorganisationen zusammenarbeiten und die Eltern dort informieren, wo sie sich aufhalten, zum Beispiel im Moscheeverein um die Ecke“. Denn gerade die religiös verwurzelten Milieus seien auf andere Weise schwer zu erreichen.

Viele muslimische Migranten wünschen Islam-Unterricht

Bildungspolitiker und Lehrer, die wissen möchten, welche Einstellungen zur Bildung und welche Informationsbedürfnisse Eltern mit Migrationshintergrund haben, finden in der Studie umfassende Grafiken und Analysen, bis hin zu Fotos mit typischen Wohnungseinrichtungen.

Die zahlreichen „Milieu-Landschaften“ der Studie lassen aber auch Fragen offen. Denn „Migrant“ ist eben jeder, der aus einem anderen Land nach Deutschland kommt, ob aus Dänemark, der Türkei oder Ghana. In allen ethnischen Gruppen gibt es unterschiedliche Milieus – aber sie verteilen sich unterschiedlich. Wenn etwa laut Studie 28 Prozent „der Migranten“ islamischen Religionsunterricht wünschen, sagt das wenig über die Gruppe der muslimischen Migranten aus: Die wünschen nämlich zu über 70 Prozent islamischen Religionsunterricht.

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