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Im Graefekiez in Kreuzberg verhindern Poller die Durchfahrt.

© IMAGO/Jürgen Ritter

Empfehlung des Instituts für Urbanistik: Geblockte Kieze und Straßen verringern Gesamtverkehr

Sperre man einen Kiez für Autoverkehr, verstopfe dieser umso mehr die umliegenden Straßen, wird an Ruhezonen oft kritisiert. Laut einer Metaanalyse des Deutschen Instituts für Urbanistik trifft das aber nicht zu.

Das Thema Verkehr spaltet die Stadt und fordert die Berliner Politik heraus: Wird Fuß- und Radverkehr gefördert, gibt es oft Protest von jenen, die vor allem mit dem Auto in der Innenstadt unterwegs sind. Neben der Sorge, einzelne Sperrungen erzeugten mehr Staus in der Umgebung, ist ein Argument von Kritikern verkehrsberuhigter Zonen auch: Dies verstärke den Autoverkehr in den umliegenden Straßen, verlagere Belastung also nur. Diese Befürchtung möchte das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) jetzt mit einem Policy Paper entkräften.

Für das Papier mit dem Titel „Verkehrsberuhigung: Entlastung statt Kollaps“ wertete das Difu eine Reihe von Projekten in europäischen Städten aus, die Fußgänger- und Radfahrzonen in Blocks oder einzelnen Straßenabschnitten einrichteten und im Anschluss maßen, wie sich das auf den Autoverkehr in den anliegenden Straßen auswirkte. Die Beteiligten am Difu-Projekt „TuneOurBlock“, das von der EU und dem Forschungsministerium gefördert wird, stützten sich auf sechs Versuche autofreier Kieze in Hamburg, Barcelona, London und den spanischen Städten Vitoria-Gasteiz und Pontevedra aus sowie sieben Versuche autofreier Straßenabschnitte in München, Berlin (Friedrichstraße), Bremen, Hamburg, Potsdam und Erfurt.

Zweifel an der These der verlagerten Belastung

Das Team um die Difu-Geologin Uta Bauer kam in der Metaanalyse zum Schluss, der Verkehr verringere sich durch die lokalen Sperrungen in den Innenstädten tendenziell insgesamt. Das Verkehrsaufkommen fließe nicht „wie eine Flüssigkeit eins zu eins an anderer Stelle“ ab.

In fast allen Versuchen habe es abgenommen, was in der Stadtforschung als „Traffic Evaporation“ bezeichnet werde. „Die Größenordnung der Verringerung liegt in den analysierten Verkehrsberuhigungsprojekten in der Fläche zwischen 15 und 28 Prozent, bei Innenstädten zwischen 25 und 69 Prozent“, so das Fazit Auswirkungen bei Kiez-Sperrungen. Bei geblockten Straßenabschnitten schwanke die Verkehrsabnahme indes zwischen 4 und 52 Prozent.

Das Difu befasst sich als gemeinnütziges Forschungsinstitut Fragen rund um Umwelt und Wirtschaft, die Kommunen in ganz Deutschland betreffen. In Berlin kristallisiert sich der Streit um die Verkehrsplanung der Zukunft an der Frage, ob man den Radverkehr in der Innenstadt priorisieren soll.

Wie die Bürger:innen in der Frage denken, ist jedoch nicht eindeutig. Einer Civey-Umfrage für den Tagesspiegel zufolge halten 48 Prozent der Befragten etwa den Planungsstopp einiger neuer Radwege für richtig. Eine verkehrspolitische Umfrage, die die private Berliner Politikhochschule Hertie School unter 1500 Berliner:innen ab 16 Jahren durchführte, kommt zu einem etwas anderen Ergebnis: Demnach befürworteten 56 Prozent der Befragten einen Ausbau geschützter Radwege. 51 Prozent seien für „weitere lokale, verkehrsberuhigte Zonen“, so die Hertie School.

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