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Energie: Ökostrom: Sauber, aber unzuverlässig

Erneuerbare Energien können das Leitungsnetz gefährden. Intelligente Schaltungen und große Speicher sollen helfen

Strom aus Windkraftwerken ist klimafreundlich, aber unzuverlässig. Trotz präziser Wetterprognosen kommt es immer wieder vor, dass die weißen Riesen deutlich mehr – oder weniger – Strom liefern als die Betreiber der Hochspannungsnetze erwarten. Sofern die Differenz nicht mit technischen Tricks ausgeglichen werden kann, droht ein Zusammenbruch des Netzes. „Diese Gefahr wird in den nächsten Jahren noch größer“, warnte Wolfgang Bogenrieder von Vattenfall in der vergangenen Woche bei einer Diskussion in der Urania Berlin. „Vor den Küsten von Nord- und Ostsee werden zurzeit große Offshore-Anlagen geplant, die den Anteil der Windenergie deutlich erhöhen.“ Heute beträgt dieser gut sechs Prozent, in zehn Jahren wird es, je nach Schätzung, doppelt bis viermal so viel sein.

Um die Überproduktion von Windrädern auszugleichen gebe es zwei Methoden, sagte Bogenrieder: „Herkömmliche Kraftwerke, die mit Kohle oder Gas betrieben werden, müssen ihre Leistung kurzfristig drosseln – oder der überschüssige Windstrom muss gespeichert werden.“ Dafür kommen beispielsweise Pumpspeicherkraftwerke infrage, die in windigen Zeiten Wasser in ein hochgelegenes Becken pumpen und bei Flaute das Wasser zu Tal fließen lassen und mithilfe einer Turbine Elektroenergie gewinnen. Doch solche Kraftwerke lohnen sich nur im Gebirge. Im flachen Norddeutschland, wo der meiste Windstrom erzeugt wird, fehlen preiswerte Speicher.

Den sensiblen Stromnetzen droht noch weitere Gefahr. Kam die Elektrizität früher von wenigen großen Kraftwerken, so gibt es heute immer mehr dezentrale Energiequellen wie Biogasanlagen oder Solarmodule auf tausenden Dächern. Da fällt es schwer den Überblick zu behalten: Wie viel Strom wird gerade eingespeist und wie viel entnommen? Diese Informationen sollen künftig bei jedem Anbieter und Verbraucher erfasst und per Datenleitung in eine Zentrale geschickt werden. Von dort könnten dann die vielen kleinen Stromerzeuger je nach Bedarf reguliert werden. „Virtuelles Kraftwerk“ sagen Fachleute zu diesem System. Eines davon entsteht derzeit als Forschungsprojekt im Landkreis Harz.

Für die „Zwischenlagerung“ von Strom wird den Wissenschaftlern nicht nur das Pumpspeicherkraftwerk Wendefurth zur Verfügung stehen, sondern auch die 100 Elektroautos, die künftig in der Region fahren sollen. Sobald sie ans Stromnetz angeschlossen werden, können sie nämlich auch als Energiespeicher dienen. Bogenrieder zufolge haben die Batterien der Autos insgesamt eine Kapazität von einem Megawatt. Das ist in etwa so viel wie eine Siedlung mit 1000 Menschen benötigt. Verglichen mit der Strommenge, die im deutschen Netz zirkuliert, ein winziger Teil. „Die Zahl der Elektrofahrzeuge wird aber deutlich zunehmen“, sagt Bogenrieder. Die vielen einzelnen Batterien seien zudem flexibler als wenige große Speicher.

Eine Vision der Forscher, an der bereits gearbeitet wird, ist ein geschicktes Zeitmanagement: Man stellt sein Auto abends in die Garage und bittet den Bordcomputer, die Batterie beispielsweise bis zum nächsten Morgen um sieben Uhr zu laden. Da im virtuellen Kraftwerk alle Stromerzeuger und -verbraucher miteinander verbunden sind, könnte die Autobatterie beispielsweise in windschwachen Abendstunden noch zusätzlich Energie ins Netz einspeisen und erst am frühen morgen geladen werden, wenn wenig Strom verbraucht wird und die Energie entsprechend billig ist.

Allerdings sei es wichtig, auch andere Speicher weiter zu entwickeln, fügte Kai Strunz von der Technischen Universität Berlin hinzu. Große Hoffnung setzen Experten etwa in die Elektrolyse von Wasser, bei der mithilfe von Strom Wasserstoff von Sauerstoff getrennt wird. Das Gas könnte zum Antrieb von Fahrzeugen genutzt werden oder später in Brennstoffzellen erneut Strom erzeugen. Strunz warnte jedoch vor überzogenen Erwartungen: „Der Wirkungsgrad des Verfahrens ist trotz jahrelanger Forschung noch ziemlich gering.“

Nicht anders ist es bei Druckluftspeichern, von denen die erste Testanlage vor 30 Jahren im niedersächsischen Huntorf in Betrieb ging: Dort wird mit strombetriebenen Kompressoren Luft in unterirdische Hohlräume gepumpt. Bei Bedarf lässt man sie später wieder ausströmen und dabei eine Turbine antreiben. Durch die rasche Druckentlastung kühlt sich die Luft stark ab und muss beheizt werden, damit die Ventile nicht einfrieren. Deshalb ist das Verfahren bislang ebenfalls unwirtschaftlich. Ralf Nestler

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