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Mit größter Vorsicht. Tests auf Ebola und andere hochinfektiöse Erreger dürfen nur in Speziallaboren gemacht werden. Hier ein Archivbild aus dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

© picture alliance / dpa

Fehlalarm in Prenzlauer Berg: Warum die Berliner Patientin kein Ebola-Verdachtsfall war

Als am Dienstagvormittag eine Frau im Jobcenter in Berlin zusammenbricht, dauert es nicht lange, bis die Vermutung im Raum steht, sie könnte an Ebola erkrankt sein. Doch genau genommen war die Patientin nie ein Ebola-Verdachtsfall. Eine Aufschlüsselung.

Mit dem Verdacht ist es so eine Sache. Als am Dienstagvormittag eine Frau im Jobcenter in der Storkower Straße in Berlin zusammenbricht, dauert es nicht lange, bis die Vermutung im Raum steht, sie könnte an Ebola erkrankt sein. Es folgt das volle Programm: Feuerwehr, Polizisten mit Atemmasken und Handschuhen, die das Jobcenter abriegeln. Hunderte Menschen, die in dem Gebäude festgehalten werden. Und eine Patientin, die auf die Isolierstation der Charité gebracht wird.
In der Justiz gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist, die Unschuldsvermutung. In der Medizin geht man lieber auf Nummer sicher und leitet bei dem Verdacht auf eine gefährliche Infektion Schutzmaßnahmen ein. Man nimmt also an, dass der Verdacht stimmt, bis das Gegenteil bewiesen ist. Wie schwierig das in der Praxis sein kann, zeigen die Vorgänge vom Dienstag.
Denn genau genommen war die Berliner Patientin nie ein Ebola-Verdachtsfall. Die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind glasklar und in einem übersichtlichen Flussschema niedergelegt. Hat die Person eine Körpertemperatur über 38,5 Grad Celsius, also Fieber? Ja. Hatte sie Kontakt mit Ebola-Erkrankten oder Krankheitsverdächtigen? Nein. Hatte sie möglicherweise beruflichen Kontakt mit Ebola-Viren oder infizierten Tieren? Nein. Hat sie sich in Sierra Leone, Guinea, Liberia oder in Lagos, der Hauptstadt von Nigeria aufgehalten? Nein. Damit ist sie laut RKI kein Verdachtsfall. „Keine besonderen Schutzmaßnahmen nötig“, heißt es dazu lapidar.

Unter dem Mikroskop waren in einigen roten Blutkörperchen kleine Ringe zu erkennen

So sind die Ärzte dann auch vorgegangen, als die Patientin um 13.30 Uhr in die Charité eingeliefert wurde. „Wir haben sie nie als Ebola-Patientin betrachtet“, sagt Norbert Suttorp, der Infektiologe, der die Isolierstation leitet. „Wir haben die Station nicht geräumt und auch keinen Seuchenfall ausgerufen.“ Eine Blutprobe wird unter dem Mikroskop untersucht. In einigen roten Blutkörperchen sind kleine Ringe zu erkennen, der Malaria-Parasit Plasmodium. Um 16 Uhr steht fest, die Patientin hat Malaria. Die Therapie beginnt. Parallel warten die Charité-Ärzte auf das Ergebnis der Blutanalyse des RKI. Gleich nach Ankunft der Patientin hatten sie eine Probe zu den Kollegen auf der anderen Straßenseite geschickt, um Ebola formal auszuschließen. Das Labor bestätigt am Abend, dass der fadenförmige Erreger nicht nachweisbar ist. „Das war von allen Fällen, die wir hier gesehen haben, am dichtesten dran an Ebola“, sagt Suttorp. „Aber es war immer noch sehr weit weg.“

Was, wenn es anders gewesen wäre? Hätte tatsächlich ein begründeter Verdacht bestanden, wäre die Isolierstation geräumt und der Seuchenfall ausgerufen worden. Die Probe wäre dann auch nicht ans RKI gebracht worden, denn dort gibt es bisher kein Hochsicherheitslabor der Stufe S4. Stattdessen wäre das Blut an das Bernhard-Nocht-Institut (BNI) in Hamburg geschickt und dort untersucht worden. Das ist keineswegs selten. Das Labor hat in den vergangenen Wochen viele Proben bekommen. „Gestern waren es siebzehn“, sagt Jonas Schmidt–Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik. Die Proben kommen aus der Türkei, aus Österreich, Saudi-Arabien und jüngst aus Katar. Nicht alle Proben erweisen sich als harmlos. In Hamburg wurde auch die Probe des spanischen Ebola-Patienten untersucht. Die Fälle aus Nigeria werden hier bestätigt.

Die große Nachfrage hat die Firma überrascht

Um den Erreger nachzuweisen, nutzen die Forscher einen Test, der erst Anfang des Jahres von der Hamburger Firma „Altona Diagnostics“ auf den Markt gebracht wurde. „Der wird jetzt in der ganzen Welt eingesetzt“, sagt Schmidt-Chanasit.
„Mit der Nachfrage haben wir natürlich nicht gerechnet“, sagt Stephan Ölschläger, der den Test entwickelt hat und früher selbst am BNI gearbeitet hat. Der Test weist ein Virus-Gen nach, das L-Gen, Bauanleitung für ein wichtiges Eiweiß. Der Test kann zwischen Ebola und dem verwandten Marburg-Virus unterscheiden.
Der Hamburger Test wurde am Dienstag auch im RKI in Berlin eingesetzt. Wirklich nötig war das zu dem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr. „Man war da übervorsichtig“, sagt Schmidt-Chanasit. „Aber das ist ja auch besser als das Gegenteil.“ Mit dem Verdacht ist es eben so eine Sache.

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