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So soll die unterirdische Beschleunigungsbahn des „Future Circular Collider“ aussehen.

© Polar Media

Ganz große Pläne: Teilchenbeschleuniger für eine neue Physik

In einer neuen Anlage am Kernforschungszentrum Cern sollen atomare Teilchen mit mehr Wucht kollidieren als bisher. Forschende hoffen auf grundlegende Erkenntnisse.

95 Prozent des Universums sind unverstanden. Zumindest einen Teil davon könnte ein neuer Superbeschleuniger am europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf erhellen, sagen Verfechter. Entsprechende Pläne für den „Future Circular Collider“ (FCC) wurden dort am Montag vorgestellt. Mit einem Umfang von 91 Kilometern wäre die Anlage deutlich größer als der Large Hadron Collider (LHC) mit 27 Kilometern, der mit der Entdeckung des Higgs-Partikels im Jahr 2012 berühmt geworden war.

Noch bis 2041 soll der LHC laufen, um mehr Details zum Higgs und weiteren Elementarteilchen zu liefern. Doch es bleiben viele Forschungsfragen, die er nicht beantworten kann. Dazu gehört die nach der Natur der Dunklen Materie. Sie macht gut ein Viertel des Universums aus, hält mit ihrer Schwerkraft Galaxien beisammen, wurde aber noch nicht nachgewiesen. Oder die Frage nach dem Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie.

Antworten könnte ein Beschleuniger geben, in dem Teilchen mit mehr Wucht zusammenstoßen oder – wie Physiker sagen – höhere Kollisionsenergien erreichen. Dafür gibt es verschiedene Konzepte, die alle an der Grenze des technisch Machbaren sind.

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100 Teraelektronenvolt Kollisionsenergie

Eines ist der FCC. Seit 2021 arbeitet ein Team an einer Machbarkeitsstudie. Darin geht es unter anderem um das physikalische Potenzial, aber auch um Tunnelbau, technische Entwicklungen des Beschleunigers und die Finanzierung. Am Freitag wurde dem Cern-Rat ein Zwischenbericht präsentiert und positiv aufgenommen, wie er am Montag mitteilte. Im ersten Halbjahr 2025 soll die Studie abgeschlossen werden.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass der Ringbeschleuniger mit 91 Kilometer Umfang auskommt, um eine Kollisionsenergie von 100 Teraelektronenvolt (TeV) zu erzielen. Zum Vergleich: Der LHC schafft 14 TeV. Ältere Konzepte gingen von 100 Kilometern Umfang aus, doch bessere Magnete erlauben ein etwas kleineres Design. Weiterhin sind acht Zugänge zur rund 200 Meter tief unter der Erde liegenden Anlagen vorgesehen. Der FCC soll ab Mitte der 2040er Jahre in zwei Phasen betrieben werden. Zunächst würden Elektronen und Positronen zur Kollision gebracht, ehe etwa ab den 2070ern Experimente mit schwereren Protonen folgen.

Der Future Circular Collider ist mit einem Umfang von fast 100 Kilometern deutlich größer als der Large Hadron Collider. Foto: CERN

© CERN

„Es ist nicht nur ein wunderbares Instrument, um die Physik zu verstehen, sondern zugleich ein Innovationstreiber“, sagt die Cern-Generaldirektorin Fabiola Gianotti und meint damit beispielsweise Kühltechniken und Hochleistungsmagnete. Beschlossen ist freilich noch nichts, wie Gianotti betont. Dafür müssten die 23 Cern-Mitgliedsländer, darunter Deutschland, dem Konzept zustimmen. Die Kosten sind noch nicht genau beziffert, sie werden auf 15 bis 20 Milliarden Euro geschätzt. Möglicherweise sollen weitere Partnerländer gewonnen werden.

An so einem teuren Forschungsapparat gibt es aber auch Kritik. „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass man die gesuchten Teilchen ausgerechnet in dem Energiespektrum des nächstgrößeren Beschleunigers findet“, sagt etwa Sabine Hossenfelder vom Frankfurt Institute for Advanced Studies. Mit dieser Maschine Hinweise auf „neue Physik“ zu entdecken, nennt sie „sehr unwahrscheinlich“.

Sie argumentiert weiter, dass die Teilchenphysik über Jahrzehnte überdurchschnittlich gut finanziert worden sei. Statt die nächste Riesenmaschine zu planen, mit der sich die Community befasst, wäre sinnvoller, Mittel für andere Forschungen freizumachen. Der frühere wissenschaftliche Chefberater der britischen Regierung, David King, äußert sich ähnlich. Gegenüber der BBC nannte er einen Preis von umgerechnet 17 Milliarden Pfund „rücksichtslos“. „Wäre es nicht klüger, angesichts des Klimanotstands die Forschungsmittel dafür aufzuwenden, eine beherrschbare Zukunft zu schaffen?“

Andererseits wäre der FCC eine gute Möglichkeit, um die europäische Führungsrolle in der Teilchenphysik zu verteidigen, argumentieren Verfechter. Denn auch anderswo wird an solchen Geräten gearbeitet. China will einen 50 bis 70 Kilometer langen Ringbeschleuniger namens Circular Electron Positron Collider, CEPC, bauen. Das Projekt verzögert sich jedoch. Ob und wann es losgeht, ist offen.

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