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Genetik: Erfolge und Hindernisse der RNA-Interferenz

Zwei Studien streichen die Versprechen und die Probleme der Technik zum Stummschalten von Genen heraus.

Mithilfe einer Gentherapie-Technik ist es Wissenschaftlern gelungen, kleine RNA-Abschnitte in Affen stummzuschalten. Ihr Erfolg könnte neue Wege in der Behandlung verschiedener Krankheiten von Krebs bis zu kardiovaskulären Erkrankungen eröffnen.

Eine andere Studie über die Funktionsweise der RNA-Interfrenz (RNAi) - dieses Mal mit Mäusen - lässt Zweifel darüber aufkommen, wie gut Wissenschaftler den Prozess verstanden haben, und lässt Vorsicht geboten scheinen, die Technik beim Menschen zu verfolgen.

In der Studie mit Affen untersuchten die Wissenschaftler microRNA (miRNA) - kleine RNA-Stücke, die Gene regulieren und bei vielen Erkrankungen eine Rolle spielen. An diesen RNA-Stücken einzugreifen eröffnete eine Möglichkeit, ganze Leitungswege auf einmal anzugehen. Eine potenziell einflussreiche Möglichkeit.

Sakari Kauppinen von Santoris Pharma mit Sitz in Horsholm, Dänemark, und seine Kollegen untersuchten miRNA, die in der Leber den Stoffwechsel von Cholesterol und Fett reguliert. Indem sie diese miRNA bei Grünen Meerkatzen stummschalteten, konnten sie die Cholesterolwerte im Blut der Affen reduzieren, wie in Nature (1) berichtet wird.

Wissenschaftler waren bereits in der Lage, die Effekte der miRNA in Nagern zu beeinflussen, laut Kauppinen ist dies jedoch das erste Mal, das diese Technik bei Primaten funktionierte.

Die kurzen RNA-Stücke stellen "Ansatzpunkte für neue therapeutische Wege bei Erkrankungen, die anderen Interventionen nicht zugänglich sind" dar, so Kauppinen. Das miRNA-Molekül, das er und sein Team stummschalteten, trägt die Bezeichnung miR-122 und spielt auch eine Rolle bei der Hepatitis C. Das Team hofft, noch in diesem Jahr mit klinischen Studien zur miRNA-Interferenz bei dieser Erkrankung beginnen zu können.

Durcheinander

Eine zweite Studie, deren Ergebnisse ebenfalls in Nature veröffentlicht wurden, malt ein weniger rosiges Bild von der miRNA-Therapie. Jayakrishna Ambati von der University of Kentucky in Lexington und seine Kollegen untersuchten die Auswirkungen von RNAi auf Gene, die an der altersabhängigen Makuladegeneration, die zu Blindheit führt, beteiligt sind. Trials mit Medikamenten, die auf die RNA einwirken, bei Menschen haben bereits begonnen - die neuesten Ergebnisse widersprechen jedoch allen bisherigen Annahmen zur Funktionsweise dieser Gentechnik.

Bei schweren Formen der Makuladegeneration wachsen Blutgefäße über die Retina und verursachen Blindheit. Die Idee besteht darin, dieses Wachstum durch das Stummschalten eines Gens mit der Bezeichnung VEGFA mithilfe doppelsträngiger Moleküle (short interfering RNA, siRNA) und komplementärer Sequenzen zu unterdrücken. siRNA mit der Bezeichnung bevasiranib wird in klinischen Phase-III-Trials für die Behandlung der Makuladegeneration getestet.

Bei näherer Betrachtung stellten Ambati und sein Team jedoch fest, dass sie das Wachstum der Blutgefäße verlangsamen konnten, ganz gleich welche Sequenz siRNA sie verwendeten (2). siRNAs "haben Funktionsmechanismen, die sich vollkommen von den bisher angenommenen unterscheiden", sagt Ambati. Er vermutet, dass RNAi in diesem Fall eher eine generelle Immunantwort im Auge triggert, wodurch das Wachstum der Gefäße verringert wird, als ein bestimmtes Gen zu unterdrücken.

Generelle Reaktion

Diese generelle Reaktion ist bei der Makuladegeneration nützlich, in anderen Fällen jedoch möglicherweise nicht. Und es ist problematisch annehmen zu müssen, dass Wissenschaftler nicht wissen, wie RNAi tatsächlich funktioniert. "Klinische Studien sollten mit großer Vorsicht angegangen werden", meint Ambati.

Es ist nicht das erste Mal, dass Vorsicht vor unerwünschten Effekten der RNAi geboten scheint. Die meisten unerwünschten Effekte wurden jedoch durch RNA-Moleküle hervorgerufen, die die Expression von Genen, die nicht ihr Ziel sein sollten, veränderten, und nicht derart generalisierte Reaktionen.

Die meisten Arbeiten stützen die Vorstellung, dass RNAi sequenzspezifisch funktioniert, erklärt Sam Reich, Vizepräsident von OPKO Health in Miami, das bevasiranib herstellt. Er sagt, er würde Ambatis Schlussfolgerungen "respektvoll widersprechen".

(1) Elmén, J. _et al. Nature doi:10.1038/nature06783 (2008). (2) Kleinman, M. E. et al. Nature doi:10.1038/nature06765 (2008).

Dieser Artikel wurde erstmals am 26.3.2008 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2008.693. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Kerri Smith

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