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Silikathaltige Minerale wie etwa in vulkanischem Basalt lösen sich auf, wenn sie mit Kohlendioxid und Wasser reagieren.

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Geologisches Thermostat: Wie Verwitterung das Klima mit reguliert

Gesteinsverwitterung entzieht der Atmosphäre Kohlendioxid. Solche Prozesse zu verstärken könnte die Erderwärmung bremsen. Eine Studie ermöglicht nun, den Ansatz besser abzuschätzen.

Von Walter Willems, dpa

Seit Milliarden von Jahren hält eine Art geologisches Thermostat das Erdklima in einem relativ stabilen Gleichgewicht: Im Lauf der Zeit haben Vulkanausbrüche gewaltige Mengen Kohlendioxid (CO₂) in die Atmosphäre gepumpt und so deutliche Anstiege der Temperatur ausgelöst. Die Erwärmung förderte aber auch Verwitterungsprozesse, bei denen freigelegtes Gestein der Atmosphäre CO₂ entzog. Die Erde kühlte wieder ab, die Verwitterung ließ nach.

Im Fachblatt „Science“ ermittelt ein US-Forschungsteam nun, wie stark Verwitterungsprozesse auf lokaler wie auch globaler Ebene von der Temperatur abhängig sind. Um diesen zentralen Faktor zu berechnen, mussten sie ihn von anderen Einflüssen isolieren, insbesondere von Erosionsrate und Niederschlägen.

Die Berechnungen spielen auch eine Rolle zur Bewertung von Maßnahmen, um die durch den Menschen verursachte Erderwärmung zu bremsen. Denn seit langem kursiert die Idee, sich die Verwitterung zunutze zu machen. So könnte man in großem Maßstab zermahlenes Gestein wie etwa Basalt ausbringen, dessen Verwitterung der Atmosphäre CO₂ entziehen und so die Erwärmung bremsen würde.

Hohe Temperaturen und reichlich Regen

In der Studie konzentrierte sich das Team um Susan Brantley von der Pennsylvania State University auf Silikate, den häufigsten Bestandteil der Erdkruste. „Über Zeiträume von vielen Millionen Jahren kontrolliert die Balance zwischen der Verwitterung von Silikatgestein und dem vulkanischen Ausstoß die atmosphärische Konzentration von CO₂, einem der wichtigsten Treibhausgase“, schreibt die Gruppe.

Grundsätzlich wird bei der Verwitterung von Silikaten der Atmosphäre CO₂ entzogen, der Kohlenstoff wird durch Wasser letztlich in die Ozeane transportiert und dort über lange Zeiträume eingelagert. Im Vergleich zur Größenordnung des biologischen Kohlenstoffkreislaufs wie etwa der Einlagerung und Freisetzung von Kohlenstoff durch Pflanzen spielt der geologische Kohlenstoffkreislauf zwar nur eine untergeordnete Rolle. Aber durch eine gezielte Ausbringung von Gesteinen, im Fachjargon „enhanced weathering“ (verstärkte Verwitterung), ließe sich die Verwitterungsrate deutlich steigern.

Trotz der Bedeutung von Verwitterungsprozessen für das Erdklima seien ihre Mechanismen wenig verstanden, schreibt das Team um Brantley. Das liegt auch daran, dass Laborexperimente weder die langen Zeiträume widerspiegeln noch die Komplexität der Wechselwirkungen mit anderen Faktoren, zu denen neben Klima und Erosion unter anderem auch Relief und Vegetation zählen. Für die Studie übertrug das Team neben Resultaten von Laborversuchen auch Messergebnisse aus Flüssen und Böden in ein Modell und kalkulierte so für verschiedene Szenarien die zum Anstoß von Verwitterungsprozessen nötige Energie.

Demnach ist die Temperatur für die Verwitterungsrate zwar maßgeblich, aber unter zwei Bedingungen: Zum einen muss Erosion genügend Gestein freilegen, zum anderen muss es ausreichend Niederschläge geben. Für die Praxis bedeutet das: Das Ausbringen zermahlenen Gesteins ist am ehesten in Regionen sinnvoll, wo es sowohl hohe Temperaturen gibt als auch reichlich Regen.

Diese Voraussetzungen für hohe Verwitterungsraten seien zwar schon bekannt gewesen, erläutert Aaron Bufe vom Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam, der nicht an der Studie beteiligt war. Doch es sei eine große Herausforderung, diese Abhängigkeit von verschiedenen Umweltbedingungen genau zu berechnen. Die Studie sei ein großer Schritt, um Verwitterungsraten lokal wie auch global quantifizieren zu können. Damit lasse sich etwa berechnen, wie viel CO₂ der Atmosphäre mit künstlich angeregter Verwitterung entzogen werden könnte. So kann man eine derart entzogene Tonne CO₂ mit einem Preisschild versehen und diese Maßnahme mit andere Verfahren vergleichen.

Generell sei die natürliche Verwitterung viel zu langsam, um den gewaltigen menschengemachten Ausstoß von CO₂ auszugleichen, schreibt Robert Hilton von der Universität Oxford in einem „Science“-Kommentar. Dennoch könnte eine absichtliche Steigerung der Verwitterung helfen, schreibt er. „Ein Zermahlen von Silikatmineralien und ihre großflächig Ausbringung auf landwirtschaftliche Flächen könnten einen Weg bieten, Netto-Null zu erreichen.“

Das funktioniere nur dann, ergänzt der GFZ-Experte Bufe, wenn man gleichzeitig die Emissionen drastisch senke: „Das natürliche System kann nicht mithalten mit dem derzeitigen CO₂-Ausstoß durch den Menschen. Wir müssen die Emissionen definitiv runterbringen.“ Dann könnte der Verwitterungsansatz helfen, den derzeitigen, in der jüngeren Erdgeschichte beispiellosen CO₂-Gehalt der Atmosphäre – im Jahr 2021 im Schnitt 415 ppm (Teilchen CO₂ pro Millionen Teilchen) – zu verringern.

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