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Studierende, einer davon mit dem Fahrrad, gehen durch das Eingangsportal der Humboldt-Universität Unter den Linden.

© imago/Seeliger

Update

Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft: Was sich jetzt für Berlins Universitäten und Fachhochschulen ändert

Das neue Berliner Hochschulgesetz ist beschlossen - mit Dauerstellen für erfolgreiche Postdocs und dem Promotionsrecht für die Fachhochschulen.

Das Berliner Hochschulgesetz hat einen neuen Namen - und schon der dürfte zumindest in den Unileitungen umstritten sein. Das "Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft" wurde am Donnerstagabend in zweiter Lesung mit den Stimmen der rot-rot-grünen Regierungskoalition im Abgeordnetenhaus beschlossen.

Die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten (LKRP) hatte schon seit den ersten Entwürfen zur Novelle vor einer Schwächung der Wissenschaftslandschaft gewarnt. Es drohe "eine massive Beschneidung ihrer Leistungsfähigkeit", der Weg Berlins zu einem Wissenschaftsstandort von internationaler Bedeutung sei "infrage gestellt".

Die massive Kritik richtete sich zunächst vor allem gegen die Reform der "Erprobungsklausel", die es den Hochschulen seit mehr als 20 Jahren erlaubt, neue Leitungsmodelle auszuprobieren und so Entscheidungswege zu vereinfachen. In der neuen "Innovationsklausel" gilt dies für weniger Paragrafen des Hochschulgesetzes - und die Akademischen Senate müssen zustimmen.

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Etliche hochschulpolitische Reibungspunkte

Geändert haben die Koalitionäre daran nichts mehr, da half auch kein Änderungsantrag von CDU und FDP in letzter Minute. Doch jenseits dieser recht abstrakten Problematik bietet die Reform in ihrer nun beschlossenen Fassung weitere konkrete Reibungspunkte, die die Hochschulpolitik in den kommenden Jahren beschäftigen dürften.

Die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD, Ina Czyborra, indes zeigte sich schon am Morgen, auf dem Weg ins Abgeordnetenhaus, in festlicher Stimmung. "Im Kostüm ins Abgeordnetenhaus, das Gesetz zur Stärkung der Berliner Wissenschaft beschließen", twitterte sie - mit Porträtbild in rotem Blazer und Kleid.

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Dauerstellen für erfolgreiche Postdocs

Ein Knackpunkt, der wie berichtet in der jüngsten Änderung des Entwurfs im Wissenschaftsausschuss und im Hauptausschuss jeweils gegen die Stimmen der Opposition abgesegnet wurde, ist der Tenure Track für Postdocs.

Wissenschaftlichen Mitarbeitenden auf Qualifikationsstellen etwa zur Promotion oder zur Habilitation nach einer ersten befristeten Stelle eine Entfristung in Aussicht zu stellen, wenn sie vereinbarte Ziele erreichen, ist eine alte Forderung des wissenschaftlichen Mittelbaus und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

In Paragraf 110, Absatz 6 des "Gesetzes zur Stärkung der Berliner Wissenschaft" heißt es nun, mit WiMis, die promovieren, "kann vereinbart werden, dass im Anschluss an das befristete Beschäftigungsverhältnis der Abschluss eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses erfolgen wird". Eine Kann-Bestimmung, gegen die es bislang keine Proteste seitens der Unileitungen gab.

Sind die wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen aber "bereits promoviert" und bereiten sie sich auf ihrer befristeten Stelle auf eine Habilitation vor, sammeln sie Lehrerfahrung oder erwerben sie sonstige Voraussetzungen für eine Berufung, "ist eine Anschlusszusage zu vereinbaren". Das ist demnach keine Kann-Bestimmung, sondern ein Muss für alle Universitäten.

"In der Regel" Tenure Track auch für Juniorprofs

Auf wie viele Postdocs an den Universitäten dies tatsächlich zutreffen wird, ist noch umstritten. Mittelbau-Vertreter:innen vermuten, es könnte sich um lediglich zehn Prozent der Stellen handeln, die Unileitungen warnen vor einer „zementierten Personalstruktur”. Nachfolgende Generationen hätten „auf Jahre und Jahrzehnte“ keine Karriereperspektiven an der Uni, wie die LKRP erklärte.

Auch hierzu brachten CDU und FDP einen Änderungsantrag ein, nach dem eine Entfristung "immer im Einzelfall zu prüfen" sei und kein Automatismus bei den Postdocs greifen sollte. Der Antrag wurde mit der rot-rot-grünen Mehrheit insgesamt abgelehnt.

Im Übrigen wird der Tenure Track jetzt auch für die auf sechs Jahre befristeten Juniorprofessor:innen verbindlicher. Sie erhalten "in der Regel schon bei der Besetzung dieser Stelle die Berufung auf eine Professur im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit". Auch für sie gilt die Voraussetzung, dass sie zuvor vereinbarte Leistungsanforderung erfüllen müssen. Vorher war die automatische Berufung eine Kann-Bestimmung.

Die SPD-Abgeordnete Ina Czyborra betonte in der Debatte, die Entfristungsregelungen würden die Universitäten künftig nicht etwa lähmen, sondern vielmehr durch "gute und sichere Karrieremöglichkeiten weltweit attraktiv machen". Der Linken-Abgeordnete Tobias Schulze sprach von einem "guten Tag für die Berliner Wissenschaft und insbesondere für die Berliner Wissenschaftler:innen, Menschen, die gute Arbeitsbedingungen verdient haben".

Promotionsrecht für Hochschulen für angewandte Wissenschaften

Ein weiterer Knackpunkt dürfte das Promotionsrecht für die Fachhochschulen sein - wiederum aus Sicht der Universitäten, die immer dagegen waren. Auch diese Änderung tauchte erst spät im Gesetzentwurf auf, nachdem die FHs scharf protestiert hatten, dass sie übergangen worden seien.

Nun also doch: "Hochschulen für angewandte Wissenschaften" (HAW) - der Begriff Fachhochschule soll mit der Novelle endgültig vom Tisch sein - "erhalten das Promotionsrecht in Forschungsumfeldern, in denen sie für einen mehrjährigen Zeitraum eine ausreichende Forschungsstärke nachgewiesen haben", heißt es in Paragraf 2, Absatz 6.

[Lesen Sie auch unseren Bericht zum Thema Fachhochschulen im BerlHG: Auch CDU und FDP offen für das Promotionsrecht]

Für andere, nicht so forschungsstarke Bereiche soll es aber bei den kooperativen Promotionen mit den Universitäten bleiben. Dabei müssen sich die HAW-Absolvent:innen jeweils eine Co-Betreuung an einer Universität suchen, was nicht nur in Berlin oft scheitert.

"Die Einführung des Promotionsrechts für forschungsstarke Felder beendet endlich die strukturelle Diskriminierung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften", heißt es in einer aktuellen Erklärung der sechs Berliner Hochschulen.

Jetzt könnten sie ihrem gesetzlichen Auftrag zur Forschung nachkommen und die "Potenziale der HAW-Absolventinnen und Absolventen" für anwendungsbezogene Forschung genutzt werden, teilte Carsten Busch mit, Präsident der HTW Berlin und Sprecher der Hochschulleitungen.

Neue Beauftragte für Diversität und Antidiskriminierung

Zu den Neuerungen durch die Novelle des Hochschulgesetzes gehören auch "Beauftragte für Diversität und Antidiskriminierung", die neben den seit Jahrzehnten bestehenden Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten eingeführt werden sollen. Sie werden "auf zentraler Ebene" angesiedelt und mit Personal- und Sachmitteln ausgestattet.

Im abgelehnten Änderungsantrag von CDU und FDP hieß es dazu, dass die Hochschulen lediglich über eine "Anlaufstelle für Diversität und Diskriminierung" verfügen sollten. Bereits etablierte Strukturen könnten so erhalten bleiben und damit weniger zusätzliche Kosten entstehen. Der AfD-Abgeordnete Martin Trefzer kritisierte die Bestellung von Diversitäts-Beauftragten scharf.

Der CDU-Abgeordnete Adrian Grasse warnte in der Debatte noch einmal vor "enormen Mehrkosten" sowie vor "detailgesteuerten, überregulierten Hochschulen" durch die Novelle. Sie bedeute "Bürokratie statt Forschungsfreiheit".

Zu den Erleichterungen für Studierende, die in der Novelle vorgesehen sind, gehört die Einführung des Rechts auf ein Teilzeitstudium.

Die Novelle des Hochschulgesetzes gilt als ein Vermächtnis von Michael Müller, dem scheidenden Regierenden Bürgermeister und Wissenschaftssenator, und seinem Staatssekretär Steffen Krach (beide SPD). Details der Umsetzung und Finanzierung mit den Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften auszuhandeln, obliegt dann allerdings ihren Nachfolger:innen.

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