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Die Arten der Gattung Morpho unterscheiden sich nicht nur in Größe, Form und Farbe, sondern auch in ihren Lebens- und Flugweisen.

© Vincent Debat

Gleiter oben, Flatterer tiefer: So hoch die Flügel tragen

Blau schimmernde Morphofalter sind bei Sammlern begehrt. Jetzt haben Forschende untersucht, wie die Arten durch ihre Lebensräume im Regenwald fliegen.

Dass auch kleine Ursachen große Wirkung entfalten können, wird bisweilen mit dem sogenannten Schmetterlingseffekt erklärt. Das geflügelte Wort entstammt einem Aufsatz des US-amerikanischen Mathematikers und Meteorologen Edward Lorenz. Er ging darin der Frage nach, ob der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas losbrechen lassen kann.

Kann er, zumindest theoretisch. Lorenz rechnete vor, wie solche Prozesse im ziemlich chaotischen System Erdatmosphäre zustande kommen können, sie aber nur bedingt vorhersagbar sind. Ursprünglich hatte er für seinen Vergleich eine Möwe herangezogen, deren Flügelschlag einen Sturm auslöst. Aber der Schmetterling ist für das Bild des scheinbar beliebigen und auch deutlich schwächeren Flügelschlags wohl besser geeignet.

Aber was, wenn der Schmetterling mit seinen Flügeln nun gar nicht flattert, sondern gleitet?

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Morphofalter in Zeitlupe

Tatsächlich sind auch die kurvenreichen Flüge von Schmetterlingen nur bedingt vorhersagbare Prozesse, etwa für hungrige Vögel. Ein französisch-niederländisches Forschungsteam hat nun jedoch Gesetzmäßigkeiten beschrieben, die sich aus den Anforderungen in den Flugräumen der Schmetterlinge ergeben. Im Fachblatt „Science“ erklären die Biolog:innen um Camille Le Roy von der Universität Wageningen, wie sich Schmetterlingsarten der Gattung Morpho mit ihren Flugfähigkeiten unterschiedliche Lebensräume im Regenwald erschließen konnten.

Die wohl bekannteste Art der Gattung Morpho wird im Deutschen als „Himmelsfalter“ bezeichnet. Die in Mittel- und Südamerika heimischen Tiere bringen es auf Spannweiten von bis zu zwölf Zentimetern und die Innenseiten ihrer Flügel schimmern himmelblau. Doch die Arten der Gattung unterscheiden sich trotz ihrer nahen Verwandtschaft untereinander teilweise recht deutlich, nicht nur in der Farbe, sondern auch in der Größe und Form ihrer Flügel. Außerdem setzen sie ihre Flügel unterschiedlich ein.

Das Team ist nicht in Brasilien, aber in Peru auf Schmetterlingsjagd gegangen. Das Untersuchungsgebiet gilt mit zwölf Vertretern der Gattung Morpho als besonders artenreich. Wie die Wissenschaftler berichten, gingen ihnen nur Männchen ins Netz. Sie sind auf ihren Patrouillen-Flügen auf Partnerinnensuche leichter zu fangen als die eher versteckt lebenden und fliegenden Weibchen.

In einer Art Freilandvoliere, die mit einem Hochgeschwindigkeits-Videosystem ausgestattet war, machten sie Filmaufnahmen von 80 Morpho-Schmetterlingen. Sie ließen jedes Tier etwa dreimal losflattern. Darunter waren acht Arten vertreten, die in den unteren Etagen der Regenwaldvegetation leben und drei Arten, die sich bevorzugt im Kronenbereich aufhalten. Mit drei Kameras konnten die Bewegungen der Tiere im Raum aufgezeichnet werden.

Außerdem zeichneten sie Flüge von frei fliegenden Tieren auf. Die eingesetzte Videokamera machte 120 Bilder pro Sekunde, sodass das Flugverhalten in Zeitlupe analysiert werden konnte. Unter den Freifliegern waren drei Arten vertreten, die im Kronenbereich leben, und vier Arten aus der Vegetation darunter.

An Flussläufen konnten die Forschenden auch Schmetterlinge fangen, die im Wald meist außer Reichweite blieben.
An Flussläufen konnten die Forschenden auch Schmetterlinge fangen, die im Wald meist außer Reichweite blieben.

© Camille Le Roy

Die Arten aus dem Kronenbereich sind schwerer zu beobachten und zu fangen, berichten die Forscher:innen. Sie lauerten ihnen mit der Kamera oder einem Netz mit verlängertem Stiel im offenen Gelände von Flussläufen auf, wo sie häufiger auf erreichbarer Höhe fliegen.

Evolution der Flugfähigkeiten

In den aufgezeichneten Videos zählte das Team die Anzahl der Flügelschläge aus und maß die Dauer der Gleitphasen dazwischen. Es zeigte sich, dass Morpho-Arten, die an das Leben in den unteren Etagen der Vegetation angepasst sind, mehr mit den Flügeln schlagen und damit schnellere und wendigere Flieger sind. Die Arten aus dem Kronenbereich sind dagegen effizientere Gleitflieger. Jede Art dieser Gruppe erreiche dies mit einer eigenen Kombination von Flugverhalten, Flügelform und Aerodynamik, sagen die Forscher:innen. Die Arten haben sich den Lebensraum im Kronenbereich mit eigenen Anpassungen erschlossen.

Über das Auftreten von Tornados in Texas im Zusammenhang mit den gezählten Flügelschlägen machen die Wissenschaftler:innen keine Aussage. Ihre Erkenntnisse würden aber das Verständnis davon erweitern, wie natürliche Auslese auf die Flugfähigkeit wirkt und bei nahe verwandten Arten zu unterschiedlichen Anpassungen führt.  

Übrigens: Die blaue Farbe der Flügel vieler der Arten der Morphofalter kommt nicht durch Farbpigmente zustande, sondern durch lichtbrechende Strukturen auf der Oberfläche der Schuppen, die die Flügel bedecken. Die Flügel auf Nadeln präparierte Falter verlieren daher ihre Färbung nicht. Die Tiere werden gefangen und gehandelt, ihr Bestand ist jedoch in den meisten erhaltenen Waldgebieten bislang nicht gefährdet.

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