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Wissen: Hauptsachen gehören in Hauptsätze

Wolf Schneider erklärt Lehrern das gute Deutsch

„Sprachpapst“ Wolf Schneider ist 85, doch wenn ihn der Sprachfuror packt, ist er alterslos. 130 Besucher kamen am Dienstag zur großen Levitenlesung im Gebäude des Tagesspiegels, um sich davon zu überzeugen. Etwa die Hälfte der Hörer waren Deutschlehrer – vor allem an sie war der Vortrag gerichtet.

Schneiders These: Deutschlehrer unterrichten das, was der Lehrplan vorschreibt, und das sei eben: korrektes Deutsch. Indes sei korrektes Deutsch noch kein gutes. Wer das nicht glaube, lese zur Abschreckung die „Rahmenrichtlinien für das Fach Deutsch“.

Schneider gab einige Kostproben jener hochwohlgeborenen Beamtenprosa: Schüler sollten das „Gestalten von mündlichen und schriftlichen Sprachhandlungssituationen“ üben, so die Richtlinie. Schneider übersetzte: „Man lehre Reden und Schreiben.“ Literarische Klassiker sollten als „gestaltete Gegenstände in ihrer Besonderheit wahrgenommen werden“, fordert die Richtlinie. Schneider: „Man stelle sich ein Gespräch am Frühstückstisch vor: Störe mich nicht, denn ich nehme die Butter als gestalteten Gegenstand in seiner Besonderheit war.“

Mit derlei pointierter Sprachkritik erheiterte Schneider eineinhalb Stunden lang die Zuhörer. Was die Richtlinienautoren hier täten, seien „Pirouetten des Irrsinns auf dem Hochseil einer völlig korrekten Grammatik“, so Schneider.

Lehrer täten gut daran, den Schülern nicht nur korrektes, sondern auch lebendiges Schreiben beizubringen, sagte der langjährige Leiter der Hamburger Journalistenschule und Autor zahlreicher Sachbücher zum Thema, zuletzt „Deutsch für junge Profis“. Nicht Kleist sei das Vorbild, sondern Heine und Brecht. Die Grundregel laute: „Einer muss sich immer plagen, der Leser oder der Schreiber.“ Hauptsachen in Hauptsätze, starke Verben nutzen und Adjektive vermeiden, wo es nur geht. Journalistenschüler lässt Schneider Texte schreiben, die nur aus einsilbigen Wörtern bestehen. Das Konkrete sei besser als das Abstrakte: „Warum Gewürze schreiben, wenn Zimt gemeint ist?“

Die Lehrer im Publikum stimmten Schneider weitgehend zu; es mangele jedoch oft an Unterrichtszeit, um all das umzusetzen, was er fordert.

Er wolle gar nicht originell sein, sagte Schneider – nur zeigen, wie man schreiben muss, um gelesen zu werden. Für Erheiterung sorgte deshalb auch sein Urteil über „kreatives Schreiben“: „Unter die Rubrik Kreativität fallen für mich Gott und Michelangelo – in diesem Raum aber niemand.“ Jan Ludwig

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