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Wissen: Hauptstadt der Mathematik

Internationale Fachgesellschaft hat von heute an ihren Sitz in Berlin

90 Jahre lang kam die Weltvereinigung der Mathematiker (IMU) ohne feste Adresse aus. Der Verein, der mit der Fields-Medaille eine Art Nobelpreis für Mathematiker vergibt, wurde fast ausschließlich von der ehrenamtlichen Arbeit in mittlerweile 70 Ländern getragen. Doch die Aufgaben wurden immer mehr, so dass man beschloss, ein zentrales Büro einzurichten. In einem spannenden Finale setzte sich schließlich Berlin gegen die Bewerber Rio de Janeiro und Toronto durch. Heute wird das Büro am Gendarmenmarkt eröffnet. Es ist dem Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) angegliedert.

„Die zentrale Lage hat bei der Entscheidung sicher eine Rolle gespielt“, sagt Alexander Mielke, der am WIAS forscht und künftig auch das Büro leiten wird. Inmitten der Stadt, gut zu erreichen – das konnten die anderen Kandidaten nicht bieten. Vor allem aber bot Berlin feste Stellen für fünf Mitarbeiter, unbefristet. Die Gehälter sind in dem 500 000-Euro-Budget enthalten, das jährlich vom Bund und dem Land Berlin aufgebracht wird. Normalerweise sei es fast unmöglich, so eine Unterstützung zu bekommen, sagt Mielke. Die Berliner Mathematiker hatten aber darauf hingewiesen, dass alle bedeutenden internationalen Fachgesellschaften längst ihren festen Sitz haben: aufgrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts jedoch ausnahmslos im Ausland. „Das war eine einmalige Chance für Deutschland“, meint Mielke.

Die Mühe hat sich gelohnt, Berlin erhielt den Zuschlag. Vielleicht auch deshalb, weil im August 2010 Martin Grötschel als Generalsekretär der IMU im Amt bestätigt wurde. Der kommt nämlich ebenfalls aus Berlin.

Zu den Aufgaben des Büros zählt etwa die Mitgliederbetreuung. Bemerkenswert ist, dass der IMU nur Staaten beitreten können, vorausgesetzt, sie haben mindestens vier promovierte Mathematiker, erläutert Mielke. Das ist nicht überall der Fall. Hauptziel ist es, die Mathematik sichtbarer zu machen, vor allem in Entwicklungsländern. Dazu gehöre etwa ein Programm, das mit einer Million Euro aus der Einstein-Stiftung Wissenschaftlern den Gastaufenthalt in Berlin ermöglicht. Mielke will nun über das Büro weitere Unterstützer gewinnen.„Eine Idee ist, künftig auch Sommerschulen für Master- oder Promotionsstudenten direkt in den Entwicklungsländern anzubieten.“

Viele Aufgaben werden die eigens angestellten Mitarbeiter übernehmen. Schließlich hat Mielke bereits am WIAS genug zu tun. Dort, drei Etagen über dem Hausvogteiplatz, erforschen er und seine Kollegen wie man mit Hilfe von Differentialgleichungen Probleme von Werkstoffforschern lösen kann. Die Mathematiker entwickeln beispielsweise Modelle, um zu beschreiben, wie Ladungsträger sich in Solarzellen bewegen. Solche Simulationen helfen, die Zellen zu verbessern. Viele aufwendige und zeitraubende Experimente werden damit überflüssig.

Darüberhinaus hat Mielke noch einen zweiten Schreibtisch in Adlershof, wo er an der Humboldt-Universität lehrt. Jetzt hat er noch einen dritten, im IMU-Büro an der Markgrafenstraße. Ralf Nestler

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